Samstag, 29. Dezember 2012

Russland verbietet Adoptionen durch amerikanische Familien

Am 28. Dezember 2012 hat Präsident Vladimir Putin hat das Bundesgesetz Nr. 186614-6 unterzeichnet, das ab dem ersten Januar 2013 Adoptionen von amerikanischen Familien verbietet. Das amerikanische Außenministerium bemüht sich bereits vermittelte Adoptionen noch durchzuführen. Danach werden jedoch keine weiteren Adoptionen durchgeführt.

Sieht man mal von den außenpolitischen Drohgebärden ab, die Auslöser für das Gesetz waren, kann man an dem Beispiel eine Reihe von ethischen und rechtlichen Fragen klären. Dazu gehören:
  1. Natürlich hat die russische Regierung das Recht internationale Adoptionen zu verbieten. Dieses dürfte auch nicht gegen die UN-Konvention über die Rechte des Kindes verstoßen, wie z.B. Human Rights Watch in einer Presseerklärung unterstellt. Die UN Konvention nennt internationale Adoptionen als eines von vielen Mitteln zur Sorge elternloser Kinder. Daraus ergibt sich jedoch kein Recht auf Adoption für das Kind.
  2. Dem Verbot ging ein bilaterales Abkommen zwischen Russland und den USA voraus, in dem insbesondere Privatadoptionen verboten, Vermittlungsstellen stärker beaufsichtigt und die Rechte der russischen Behörden im Fall von Misshandlungen von Kindern und gescheiterten Adoptionen gestärkt werden sollten. Es gibt auf russischer Seite den Verdacht, dass die Misshandlung russischer Kinder weniger stark strafrechtlich verfolgt wird als die Misshandlung amerikanischer leiblicher Kinder. Ob dieser Vorwurf zutrifft, ist nicht zu klären. Bei den bekannten Skandalfällen, in denen Kinder zu Tode kamen, bzw. alleine nach Russland geschickt wurden, wurden die verantwortlichen Adoptiveltern strafrechtlich nicht belangt bzw. nicht bestraft. Sollte der Verdacht zutreffen, wäre dies ein veritabler Justizskandal.
  3. Russische Behörden stören sich schon länger an dem Verhalten amerikanischer Vermittlungsstellen, die nicht nur hohe Gebühren für eine Adoption verlangen, die in Russland kostenfrei ist, sondern auch im Internet Fotos von russischen Kindern veröffentlichen, für die sie unaufgefordert Adoptiveltern suchen. Dieses verstößt gegen das Persönlichkeitsrecht der Kinder.   
Adoptionen aus Russland sind im Vergleich zu China und Äthiopien weniger von Korruption auf der russischen Seite geplagt. Problematisch ist vielmehr das Ausmass von Behinderungen durch FAS sowie die Traumatisierung der Kinder, die zu der überproportional hohen Zahl von gescheiterten Adoption aber auch zu Misshandlungen führen. Für viele russische Kinder ist eine Adoption in die USA tatsächlich ein Glücksfall, da sie dort besser gefördert werden können. Gleichzeitig sind viele Adoptiveltern überfordert.

Dass die russische Regierung so harsch auf internationale Adoptionen reagierte hat, daher auch mit  den Vermittlungsstellen zu tun, die die Adoptiveltern nicht über den Gesundheitsszustand der Kinder aufklären und sich nicht an die Regeln halten. Ob deren Geschäftspraktiken sich durch das Verbot ändern, ist jedoch fraglich. Sie werden sich jetzt wohl noch stärker auf afrikanische Länder konzentrieren.

Allerdings sollte man sich auch nicht der Illusion hingeben, dass die russische Regierung mit diesen Maßnahmen wirklich das Interesse der Kinder im Sinn hat. Russland hat eine große Zahl von Kindern, die in Heimen untergebracht sind. Alkoholismus, schwierige wirtschaftliche Bedingungen und schlechte Standards der Heimunterbringung hat viele Kinder einen schweren Start in ihr Leben beschert. Zudem ist ein Teil der neuen Gesetze gegen Menschenrechtsorganisationen gerichtet. NGOs mit Finanzierung aus den USA werden ebenso verboten wie Adoptionen. Für die russische Zivilgesellschaft ist dies eine alarmierende Entwicklung.  

Donnerstag, 20. Dezember 2012

Kontroverse über Adoptionen aus Russland in die USA

Am morgigen Freitag, den 21. Dezember wird die russische Duma über ein Gesetz entscheiden, das Adoptionen aus Russland in die USA verbieten soll. Das Gesetz mit dem Namen Dima Yakovlev Gesetz ist eine Reaktion auf das sogenannte Magnitsky Gesetz, das US-Präsident Barack Obama letzte Woche unterschrieben hat. Dieses Gesetz verbietet russischen Beamten, die verdächtigt werden an dem Tod des russischen Hedgefundangestellten Sergei Magnitsky beteiligt zu sein, die Einreise in die USA.

Das Dima Yakovlev Gesetz ist offensichtlich außenpolitisch motiviert und nicht primär am Kindesinteresse russischer Adoptivkinder orientiert. Es nimmt dabei Bezug auf eine bereits seit längerem schwelende Kritik aus Russland an dem Schicksal russischer Adoptivkinder in den USA. Russland gehört mit China und Äthiopien zu den wichtigsten Herkunftsländern für adoptierte Kinder in den USA. In den letzten zwanzig Jahren wurden ca. 60.000 Kinder aus Russland in die USA adoptiert. Davon sind zwischen 19 und 29 Kinder zu Tode gekommen (die Angaben variieren je nach Quelle). Ein kontroverser Fall war Dima Yakovlev, ein zweijähriger Junge, der von seinem Adoptivvater im Auto vergessen wurde und starb. Ein weiterer Fall ist der von Artyom Savelyev, der als Siebenjähriger von seiner Adoptivmutter alleine nach Russland zurückgeschickt wurde, weil sie mit ihm nicht zurecht kam. Hinzu kommt die steigende Zahl der gescheiterten Adoptionen von russischen Kindern in den USA. Es gibt eine Einrichtung in Montana, die sich auf schwierige Kinder aus Russland spezialisiert hat und deren Existenz vom Ombudsmann für die Rechte von Kindern, Pavel Astakhov, stark kritisiert wurde.   

Während daher amerikanische Adoptiveltern in Russland in der Kritik stehen, gibt es zugleich auch Kritik an einem Verbot von Adoptionen in die USA. Der Außenminister Sergei Lavrov sprach sich laut Financial Times gegen ein Verbot und für eine verbesserte Praxis aus. Auch die Zivilkammer Russlands, die aus Experten besteht, äußerte sich kritisch. Sie monierte insbesondere den Umgang mit der Zahl der genannten Todesfälle. Den 19 bis 29 verstorbenen russischen Kindern in den USA stehen nach Angaben der Financial Times 1500 Todesfälle adoptierter Kinder von russischen Adoptiveltern gegenüber.   

Dienstag, 11. Dezember 2012

Reuniting children with their families - UNICEF

In Ethiopia, placing institutions and adoption practices under scrutiny - and reuniting children with their families

By Indrias Getachew

JARE HINESSA, Ethiopia, 10 December 2012

Emotions run high when baby Meseret comes home. It’s been 14 months since she was placed in an orphanage by her father, a single parent who had hoped that she would be adopted and raised abroad.

UNICEF correspondent Margaret Murphy reports on a programme that is reuniting Ethiopian children with their families.

“I gave her up to an orphanage because she was so young when her mother died,” says Meseret’s father Thomas Hatito. Mr. Hatito’s wife passed away in childbirth, and he was faced with raising Meseret in addition to his seven other children, on his own. “I gave her away so that she could grow up and get a better education than is available here.” Meseret was 6 days old when Mr. Hatito handed her over to the orphanage. Rising international adoptions, rising concerns In recent years, Ethiopia has become one of the most popular countries for international adoptions. More than 4,500 children were placed in inter-country adoption in 2009, double the number of children in 2006. According to the Ministry of Women, Children and Youth Affairs, the rapid increase in inter-country adoptions has spawned a proliferation of child care institutions. However, 45 per cent of these institutions were found to be operating without a valid license.

  Meseret has been reunified with her family 14 months after she was given up for adoption following the death of her mother during childbirth. Here, one month after reunification, she plays with her older sister. Concerns about methods – and facilities Rising demand for Ethiopian children and the lack of adequate mechanisms to ensure compliance with procedures meant to protect their best interests have led to concerns about methods used by adoption agencies and child care institutions. “[Parents] were being told, ‘if your child goes abroad, you will get all types of rewards, you will get more money,’” says Project Officer at the Southern Nations, Nationalities, and People’s Region (SNNPR) Bureau of Women, Children and Youth Affairs Yeshimebet Yirga. Increasing reports of abuse have prompted action by the Government of Ethiopia to address the issue.

In 2010, two assessments of institutional child care were conducted. The assessments looked at child care institutions in five regions, including SNNPR. “There are standards that any organization which raises children needs to meet,” says officer in charge of promoting child rights and protection with the SNNPR Bureau of Women, Children and Youth Affairs Ashenefech Admassu. “But, when many of them were reviewed, it became clear that they were not seeking the best interests of the children, but their own private benefit.”

When Meseret was returned to her village, she was welcomed by her family and members of the village. Here, she is held in the arms of the nanny who brought her home from the orphanage where she spent 14 months. Standing behind them is her father, Thomas Hatito, and next to them is her grandmother. Reuniting families The orphanage that had taken Meseret was among those deemed unfit to continue operating. Meseret and the other children who lived there were placed with caretakers while the process of family reunification began. Ms. Yirga and the rest of the team from the SNNPR Bureau of Women, Children and Youth Affairs were trained with the support of UNICEF to provide care for the children and reunite them with their families. “After convincing the families, we don’t just give the children back empty-handed,” she says. “We prepare a package that we believe a returning child will need, and that will reduce the burden on the family.” Meseret’s family received clothing and household items and a cash grant to ease their financial pressures.

The programme also helps families to set up projects that generate income. Ms. Yirga and her team accompanied Meseret and her nanny from the caretaker institution to Jare Hinessa village. Neighbours and community leaders turned out in large numbers to welcome Meseret home. Reaching as many children as possible According to the Central Statistic, 3.8 million orphans lost one or both parents to AIDS-related causes in 2009. It is likely that some 10,000 such children live under institutional care. “UNICEF is working with the federal and regional authorities to come up with a range of family-based options for children without parental care,” says UNICEF Ethiopia Communication Manager Alexandra Westerbeek. “We all agree that institutions are not the solution for children, and what they need is a family environment.”

Samstag, 8. Dezember 2012

Interview mit Katrine Rijs Kjaer über Mercy, Mercy

Auf youtube findet sich nun auch ein Interview mit der Filmemacherin Katrine Rijs Kjaer über Mercy, Mercy. Herzzerreissend und erschütternd.


 

Freitag, 7. Dezember 2012

Intercountry adoption: reinforcing legislation to ensure that the child’s best interests are upheld


Am 30. November 2012 verabschiedete die parlamentarische Versammlung des Europarates eine Resolution, in der sie die Mitgliedsstaaten auffordert ihre Regulierung von Internationalen Adoptionen zu verstärken.  In einigen Fällen würden die Menschenrechte von Kindern eindeutig verletzt, wenn Kinder durch Entführungen und Menschenhandel, aber auch durch Dokumentenfälschungen und Druck auf die leiblichen Eltern in die Adoption überführt wurden.
Die Resolution beruht auf Vorschlägen der Berichterstatterin Marlene Rupprecht. In ihrem Bericht dringt sie darauf, in allen Ländern eine zentrale Behörde zur Aufsicht von Vermittlungsstellen zu errichten. International adoptierte Kinder sollten vor, während und nach der Adoption einer besonderen Aufsicht unterliegen. Die Mitgliedsländer sollten sicherstellen, dass das Thema auch im Kontext der Strategie zur Sicherung der Rechte der Kinder (2012-2015) berücksichtigt wird.

Der Bericht an sich beinhaltet wenig Neues. Die Problematik wird in groben Zügen korrekt aber eher impressionistisch wiedergegeben. Um das Problem der Rechtmäßigkeit von Privatadoptionen mogelt sich der Bericht eher herum. 

Da es sich um ein grenzüberschreitendes Problem handelt, bei dem viele Mitgliedsländer des Europarates sowohl als Empfänger- wie auch Senderländer beteiligt sind, sollte man überlegen, inwieweit der Europarat selbst nicht ein geeignetes Organ zur Überwachung Internationaler Adoptionen sein kann. Insbesondere könnte eine Ombudsstelle zur Klärung von Beschwerden und der Verifizierung von Tatsachenberichten hilfreich sein. Ein unethisches Adoptionsverfahren ist eine Menschenrechtsverletzung, die klarer definiert und sanktioniert sein müsste, um wirksam bekämpft zu werden.   
 
 
 

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Mercy, mercy on youtube

Ethiopia - Adoption goes wrong: A touching story of two Ethiopians adopted by a family from Denmark



 

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Petition "Stoppt Racial Profiling"

Der Autor der Petition Carla Smith hat Ihnen eine neue Nachricht zu dieser Petition hinterlassen:

Betreff: Der Empfang der Petition wurde bestätigt

Liebe Erstunterzeichner_innen,

Leider muss ich mich noch mal an euch wenden und euch bitten, wenn nicht bereist geschehen, die neue Petition gegen racial profiling zu zeichnen.
Wir haben erst knapp über 7000 Stmmen und benötigen jede Unterschrift.
Zum ersten mal in der Geschichte der ISD und der jüngeren Schwarzen Bewegung haben wir die Chance in einem Parlament Gehör zu finden mit unserem Anliegen und auf gesetzliche Bestimmungen Einfluss zu nehmen.
Bitte verbreitete also diesen Aufruf und informiert möglichst viele Menschen.

Wir möchten um Ihre Unterstützung bitten. Die Petition zu „Racial/Ethnic Profiling“ ist online. Mit seiner Entscheidung vom 29. Oktober 2012 hat das Oberverwaltungsgericht in Koblenz diese Praxis für rechtswidrig erklärt und damit den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes gewürdigt. Jetzt fordern die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) und das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung (BUG) politische Schritte in einer Petition, die sich an den Bundestag richtet. (www.stoppt-racial-profiling.de)

Hier geht es zur Bundestagsseite zum direkt Unterschreiben:
https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2012/_11/_07/Petition_37656.nc.html

Die Petition „Stoppt Racial Profiling“ kann noch bis zum 18.12 unterschrieben werden. Wir würden uns freuen, wenn Sie den angehängten Text redaktionell auf Ihrer Seite veröffentlichen würden. Gerne können sie auch das Logo nutzen. Ein Foto von der Übergabe von Unterschriften an Mitglieder des Petitionsausschusses finden Sie anbei.

Da jede Unterschrift zählt, bitten wir Sie auch die Info zur Petition über Ihren Verteiler weiterzuleiten und Ihre Medienpräsenz zu nutzen, um Aufmerksamkeit auf die Problematik zu lenken. Es werden mindestens 50.000 Unterschriften benötigt, damit der Petitionsausschuss des Bundestages öffentlich berät und vorgesprochen werden kann. Lassen Sie uns dies gemeinsam schaffen.
Für mehr Informationen über geplante Aktionen rund um die Kampagne und Hinweise auf Möglichkeiten die Aktivitäten zu unterstützen, wenden Sie sich bitte an das BUG oder die ISD.

Herzlichen Dank für die Unterstützung
Bündnis gegen racial profiling

www.stoppt-racial-profiling.de

Sonntag, 2. Dezember 2012

David Smolin: Externe Verifizierung notwendig

Im Kontext des Dokumentarfilms Mercy, Mercy hat der dänische Radiosender Radio24syv ein aufschlussreiches Interview mit David Smolin ausgestrahlt.

Darin plädiert er für einen systematischen Ansatz bei der Beurteilung internationaler Adoptionen. In einigen Ländern gibt es weitverbreiteten Missbrauch des Adoptionssystem durch finanzielle Anreize für kriminelle Praktiken. Dazu gehören Kambodscha, Nepal und Äthiopien.

Weiter führt David Smolin aus: Die Haager Konvention ist ein richtiger Schritt zur Regulierung internationaler Adoptionen. Allerdings gehen gerade europäische Regierungen häufig fahrlässig mit der Implementierung um, weil sie die Dokumente der Senderländer fraglos akzeptieren. Europäische Behörden verstecken sich oft hinter der Haager Konvention und überprüfen nicht den Status der Kinder, die zu ihnen kommen. Wenn es in der Öffentlichkeit bekannt ist, dass es systematische Probleme mit Korruption und Dokumentenfälschungen in einigen Ländern gibt, dann dürfen europäische Behörden sich nicht auf diese Dokmente verlassen sondern müssen selbst die Verantwortung für die Adoptionen aus diesen Ländern übernehmen. Europäische Regierungen müssen sicherstellen, dass die adoptierten Kinder tatsächlich adoptierbar sind. Wenn sie dazu selbst nicht in der Lage sind, müssen sie externe Experten damit beauftragen. Nichts erspart den westlichen Behörden die eigene Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Adoptionen. Wenn er - David Smolin - als unabhängiger Experte in der Lage ist, die Situation in einzelnen Ländern einzuschätzen, dann ist es gerade zu lächerlich zu sehen, wie Regierungen angeblich immer wieder von Korruptionsvorwürfen und Skandalen überrascht werden.

Man muss zur Ehrenrettung deutscher Gerichte sagen, dass diese im Fall von Adoptionen aus Ländern, die die Haager Konvention nicht ratifiziert haben, die Adoptionen nach deutschen Maßstäben überprüfen. Allerdings erfolgt diese Prüfung viel zu spät, nämlich lange nachdem die Adoption vollzogen wurde, und es erfolgt keine Überprüfung der Tatsachen sondern nur der Papierlage. Ob die Papiere mit den Tatsachen übereinstimmen, prüft dabei niemand, obwohl Urkundenfälschung wohl der häufigste Fall von illegalen Praktiken sein dürfte. Für Deutschland bedeutet dies ein klarer Auftrag an das Bundesjustizamt in Äthiopien selbst tätig zu werden und sicher zu stellen, dass die Adoptionen rechtmäßig sind. Das kann man nicht den Vermittlungsstellen alleine überlassen, insbesondere dann nicht, wenn sie ein finanzielles Interesse an dem Zustandekommen der Adoption haben.
 

Samstag, 1. Dezember 2012

Denn sie wissen nicht, was sie tun

Adoptionen sind ein tiefer Eingriff in das Leben eines Kindes und der Familien. Dieser Eingriff bedarf einer besonders guten Vorbereitung, einer Begründung und großer Professionalität der Beteiligten. Wer sich länger mit Internationalen Adoptionen beschäftigt, weiß, dass alle diese Faktoren nicht zutreffen. 

Die Geschichte, die dem Dokumentarfilm Mercy, Mercy zugrunde liegt, illustriert das Dilemma und das Fehlverhalten auf verschiedenen Ebenen. Kein Sozialarbeiter in einem entwickelten Land, auch nicht in Dänemark, käme auf die Idee eine Adoption von Kindern in einer intakten Familie anzuregen oder gar zu erlauben, weil die Eltern HIV infiziert sind. Die Kinder würden in der Familie verbleiben, bis es nicht anders geht oder die Eltern wirklich versterben. Wären die Kinder dann im Heim und keine Angehörigen in der Nähe, könnte man über Adoptionen nachdenken. Warum gilt das, was in Europa selbstverständlich ist, in Afrika nicht? Warum kann eine dänische Adoptionsvermittlungsstelle andere Maßstäbe in internationalen Adoptionen anlegen als in dänischen?

Es ist im Übrigen bei Adoptionen aus Äthiopien gang und gäbe, dass die Kinder nicht Waisen sind sondern noch ein Elternteil, meistens Mütter, haben, die einfach zu arm und manchmal auch zu krank sind, um viele Kinder zu versorgen. Dass zwischen den Müttern und den adoptierten Kindern eine Beziehung besteht, die auch durch Gerichtsbeschluss nicht einfach aufgehoben wird, wird sowohl von Vermittlungsstellen als auch von Adoptiveltern oftmals ignoriert und verursacht viel Leid auf beiden Seiten. Manchmal lehnen die Kinder einen Kontakt zur leiblichen Mutter oder Familie lange Zeit ab. Manchmal hilft es ihnen aber auch, um mit der Situation umzugehen, weil sie sich um die Mutter und zurückbleibende Geschwister sorgen. Manchmal gab es Konflikte in der Familie, die nicht aufgearbeitet sind. Die Vermittlungsstellen wie auch viele Adoptiveltern sind auf dieses Problem viel zu wenig eingestellt. (Es gibt dazu unterschiedliche Praktiken der Vermittlungsstellen, die wir auf Anfrage gerne genauer erläutern.)

Darüber hinaus ist die gesamte Diskussion über Adoptionen und deren Erfolgsbedingungen mehr von Mythen und Ideologien bestimmt als von wirklichen Erkenntnissen, was gut für Kinder ist. Die Forschungslage ist erschreckend dünn und die Praxis ist in der Regel handgestrickt. Einige Beispiele: das Alter zum Zeitpunkt ist nicht entscheidend für das Gelingen einer Adoptivfamilie. Entscheidend ist die Traumatisierung des Kindes. Ein älteres Kind kann bereits mehr Leid erlebt haben und damit die neue Adoptivfamilie mehr belasten. Aber auch kleinste Kinder können durch Hungererfahrung schwerstens traumatisiert sein. Ein anderes Beispiel: angehenden Adoptiveltern wird nur wenig Vorbereitung für ihre Aufgabe zugemutet. Insbesondere gilt das Motto: Eltern sollen Eltern sein und keine Therapeuten. Das wird ihrer neuen Rolle nicht gerecht. Adoptiveltern müssen eine Vorbildung im Umgang mit Trauma und Bindungsverlust haben, um auf die Signale der Kinder richtig reagieren zu können. Und zwar nicht erst dann wenn die Krise eingetreten ist. Angehende Pflegeeltern müssen mehrere Seminare absolvieren, um sich für ihre neue Rolle zu qualifizieren. Bei Adoptiveltern reicht ein Tagesseminar.

Adoptionskritiker sprechen gerne von der Adoptionsindustrie und der starken Nachfrage nach Babys, um die Missstände zu beschreiben. Um im Bild zu bleiben: viele Probleme mit internationalen Adoptionen haben in der Tat mit dem Geschäftsmodell zu tun. Eine bessere Kontrolle der Praktiken im Land und eine intensivere Vorbereitung von Adoptiveltern kostet Geld und schreckt vielleicht auch Bewerber ab. Der Mythos, dass in Afrika kleine Kinder in Waisenhäusern auf gutwillige Eltern warten, reduziert die Erwartungen bei Eltern wie Behörden, dass auch bei solchen Adoptionen strenge Kriterien angelegt werden müssen. In vieler Hinsicht handeln wir noch heute so wie Mitte der achtziger Jahre, als die Hungersnot in Äthiopien den Startschuss für Adoptionen aus Afrika gegeben hat und Menschen aus reichen Ländern genuin Kinder retten wollten. Seitdem ist jedoch mehr als ein Vierteljahrhundert vergangen. Es wird Zeit, die Praxis zu überprüfen und heutigen Standards anzupassen.