Freitag, 30. März 2012

Fallstricke umgehen: Das Einmaleins der ethischen Adoption

In den letzten Wochen wird dieser Blog von vielen Lesern besucht, die sich über Adoptionen aus Äthiopien informieren wollen. Das sehen wir an den Zugriffen, die über eine google Suche "Adoption Äthiopien" zu uns finden. Für alle diejenigen, die noch am Anfang des Prozesses stehen, möchten wir ein paar Hinweise zusammenstellen, um die ethischen Fallstricke einer Adoption aus Äthiopien möglichst zu umgehen:
  • Informationen sind alles. Eine gut informierte Adoptivfamilie ist viel besser in der Lage mit den Herausforderungen umzugehen. Informieren Sie sich über die Lage in Äthiopien, die herrschenden Gesetze, die politische Situation und die Adoptionsskandale der letzten Jahre. Das hilft Ihnen die richtigen Fragen zu stellen und Gefahrensituationen zu erkennen.
  • Informieren Sie sich auch über die Herausforderungen von Adoptionen von älteren und kleineren Kindern. Lesen Sie die Bücher von unserer Leseliste. Gehen Sie vorbereitet in diese Entscheidung, die wie keine andere ihr Leben verändern wird. Sprechen Sie mit Adoptiveltern über Probleme und Herausforderungen. 
  • Wenn Sie einen Kindervorschlag bekommen: Fragen Sie, wie das Kind ins Heim gekommen ist. Rekonstruieren Sie die Geschichte Ihres Kindes im Detail. Kein Kind hat keine Verwandte. Wenn die Eltern verstorben sind, fragen Sie nach Tanten, Onkel und Großeltern. Diese können Ihnen Auskunft über Eltern, Familienkonstellation und Gründe für die Abgabe ins Heim geben. Treffen Sie die leibliche Mutter, auch wenn es Ihnen schwer fällt.
  • Reisen Sie in das Herkunftsdorf des Kindes. "Waisentourismus" in ländliche Gebiete in Äthiopien sind aus guten Gründen umstritten. Sie sollten dort nicht als reiche Weiße auftreten und Begehrlichkeiten wecken. Andererseits müssen sie das Umfeld kennenlernen, in das ihr Kind geboren wurde. Es gibt Ihnen den Schlüssel zur Identität Ihres Kindes.
  • Verlassene Kinder ohne Verwandte haben eine schwere Last zu tragen. Kinder werden ausgesetzt oder laufen von zu Hause weg. Sie sollten nachverfolgen, ob und wie nach den Eltern gesucht wurde. Es gibt viele Fälle, bei denen später die Eltern leicht gefunden werden konnten, obwohl die Ermittlungen der Polizei nichts ergaben. Sprechen Sie mit der Heimleitung über die Suche nach den Eltern. Sprechen Sie mit der Polizei. Besuchen Sie den Ort, wo ihr Kind gefunden wurde. Machen Sie deutlich, dass sie daran interessiert sind, die Eltern zu finden.
  • Sprechen Sie mit ihrer Vermittlungsstelle auch über unangenehme Themen. Sprechen Sie über Kinderhandel, Korruption und die Verbindung der Vermittlungsstelle zum Heim. Fragen Sie, welcher Geldbetrag an das Heim gezahlt wird und wofür. Es ist Ihr Geld.
Und es ist Ihre Familie, um die es geht.   

Mittwoch, 21. März 2012

Tarikuwa Nigist Lemma alias Journee Bradshaw

Als vor knapp zwei Jahren die Berichte über Korruption und Mißbrauch in Adoptionen aus Äthiopien bekannt wurden, stand ein Fall im Mittelpunkt der Berichtertstattung. Journee Bradshaw und ihre Adoptivfamilie waren nicht nur ein Beispiel für eine verfehlte Vermittlungspolitik, in der ein junges Paar drei Geschwisterkinder adoptierte, von denen sich eines als 15 Jährige entpuppte. Sondern zugleich hat sich Journee/Tarikuwa von Beginn an öffentlich gegen die Adoption gewehrt. Ihre Geschichte wurde im Film "Fly away children" ausführlich dokumentiert.

Heute lebt Tarikuwa nicht mehr bei ihrer Adoptivfamilie. Sie hat ihren alten Namen wieder angenommen und möchte ihn auch in ihren Papieren wieder haben. Sie besucht die High School und versucht, Geld für eine Reise nach Äthiopien zu verdienen. Ihre Adoptivfamilie lebt mit ihren zwei Schwestern in Hawaii. In einem Interview schildert sie von ihrer Odyssee in den USA und ihren Plänen für die Zukunft.  

Mittwoch, 14. März 2012

Kinderhandel in China

China galt lange Zeit als das Land mit dem saubersten Verfahren für internationale Adoptionen. Chinesische Kinder, die verlassen oder ausgesetzt aufgefunden wurden, wurden in staatliche Kinderheimen aufgenommen und dann zur Adoption freigegeben. Aufgrund der strengen staatlichen Aufsicht und der Ein-Kind-Politik war der Bedarf für internationale Adoptionen nahezu zwangsläufig vorgegeben. Nach den landläufigen Erklärungen setzten Eltern ihre Kinder aus, um sich einer Bestrafung für die Überschreitung der Kinderzahl zu entziehen. Dadurch wurden tausende gesunde Säuglinge in Adoptionsverfahren überführt, die schnell sehr begehrt waren. Insbesondere chinesische Mädchen wurden ins Ausland vermittelt.

Seit mehreren Jahren häufen sich jedoch die Berichte, dass Adoptionen aus China längst nicht so sauber abliefen wie bislang geglaubt. Die Behörden befassen sich nun ernsthaft mit Menschenhandel in China und stoßen auf schockierende Praktiken.

Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit hat nun einen Bericht veröffentlicht, nachdem im letzten Jahr 8,660 Kinder und 15,458 Frauen aus Menschenhandel 'befreit' werden konnten. Über 3200 Menschenhändlergruppen wurden verhaftet einschließlich einer Bande, die Frauen nach Angola in die Prostitution verkaufte.

Im Jahr 2011 wurden mehr als 2000 Kinder für Adoptionen entführt und verkauft. Letzten November wurde in Shandong eine Bande enttarnt, die Säuglinge für US$8,000 anbot. Seit 2008 wurden 11.300 Personen wegen Menschenhandels verurteilt. Das Ministerium hat zudem eine landesweite DNA-Datenbank aufgebaut, um entführte Kinder ihren Eltern zurückzubringen.

Aber auch die Behörden selbst waren an Zwangsadoptionen beteiligt. Familien wurden Kinder von Behörden weggenommen und ohne Einverständnis der Eltern zur Adoption freigegeben. Die Berichte über entführte adoptierte Kinder trifft insbesondere amerikanische Familien. Ungefähr 100.000 Kinder wurden seit 1992 hauptsächlich in die USA, Kanada und Spanien vermittelt. (Nach Deutschland wurden keine Kinder vermittelt, da es hier keine automatische Einbürgerung gibt, die China als Voraussetzung verlangt.) Selbsthilfegruppen versuchen nun die Herkunft ihrer Kinder zu ermitteln und den Kontakt zu den Eltern aufzunehmen. Die Zahl der Adoptionen geht deutlich zurück.

Die Moral von der Geschichte? Es gibt derzeit - vielleicht mit der Ausnahme Russlands - kaum ein Land, in dem es keine ethischen Probleme, sprich kriminelle Praktiken, in internationalen Adoptionen gibt. Zukünftige Adoptiveltern müssen sich mit diesen Themen kritisch auseinandersetzen.

Samstag, 10. März 2012

Geburtsurkunden adoptierter Kinder

Ein adoptiertes Kind erhält nach seiner Adoption einen neuen Familiennamen und eine neue Geburtsurkunde. Der neue Familiename ist der Name der Adoptiveltern. Nur wenn es es aus schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Kindes erforderlich ist, kann auch der bisherige Familienname dem neuen Namen beigefügt werden.

In der neuen Geburtsurkunde sind als Eltern die Adoptiveltern eingetragen. Lediglich in dem Geburtenregister - früher in der Abstammungsurkunde - sind die Namen der leiblichen Eltern bei Inlandsadoptionen aufgeführt. Adoptierte können diese im Alter von 16 Jahren einsehen. Im Ausland geborene haben dieses Recht nicht. Es gibt kein Geburtenregister für sie und keine Abstammungsurkunde. Wenn die Adoptiveltern nicht selbständig die Namen der Eltern des Kindes in Erfahrung bringen und aufbewahren, gehen sie verloren. Sie spielen in rechtlicher Hinsicht keine Rolle mehr.

Dieses Konstrukt soll dafür sorgen, dass das angenommene Kind auch in der Außenwirkung einem leiblichen Kind gleichgestellt wird. Alle behördlichen Urkunden des Adoptivkindes sollen suggerieren, das Kind sei in die Familie geboren worden.

Tatsächlich ist die neue Geburtsurkunde wirklichkeitsfern und befremdlich. Eine Geburtsurkunde soll die Geburt eines Kindes beurkunden. Das adoptierte Kind wird von seinen neuen Eltern angenommen, aber es wurde nicht von ihnen geboren. Die leibliche Abstammung ist ja gerade nicht von den Adoptiveltern. Für im Ausland Adoptierte gibt es höchstens noch in dem Adoptionsurteil einen Bezug auf die leiblichen Eltern. Doch selbst dies ist in äthiopischen Urteilen nicht die Regel. Dabei hat jedes adoptierte Kind leibliche Eltern.

Es gibt darüberhinaus überhaupt keinen Grund die leiblichen Eltern auf der Geburtsurkunde zu verschweigen. Man kann - und sollte - davon ausgehen, dass das Persönlichkeitsrecht des Adoptierten mehr dadurch geschädigt wird, dass die leiblichen Eltern unterschlagen werden, als dass im Umgang mit Behörden die Adoption verheimlicht werden kann. Der Geburtsname des Kindes wie auch die Namen der leiblichen Eltern sind wichtige Bestandteile der Identität eines jeden Menschen und müssen urkundlich wie auch tatsächlich geschützt werden. Zurzeit geht beides verloren, sobald das Kind adoptiert wird.