Sonntag, 30. Oktober 2011

Liberales Abtreibungsrecht in Äthiopien

Die Financial Times Deutschland berichtet über die Liberalisierung des Abtreibungsrechts in Äthiopien. Damit werden Geburtenraten gedrosselt und das Leben der Mütter geschützt. Während sich die Bevölkerung in den letzten 50 Jahren vervierfachte, ist die durchschnittliche Kinderzahl Äthiopiens in Afrika nach Südafrika, Gabun und Dschibuti mittlerweile die niedrigste. Von 5,5 im Jahr 2000 fiel sie auf 4,8 in diesem Jahr - in den Städten sogar von 3,2 auf nur 2,6. Der Anteil der äthiopischen Frauen, die Verhütungsmittel nutzen, hat sich seit 2005 verdoppelt.

Zumindest theoretisch sollte sich durch eine zurückgehende Geburtenrate und bessere Geburtenkontrolle auch der Anteil der verlassenen und verwaisten Kinder reduzieren.

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Enabling Violation - Das Dilemma Internationaler Adoptionen

In der New York Times erschien ein nachdenklicher Beitrag über das Dilemma Internationaler Adoption zwischen Kindeswohl und Verlust. Die Autorin benutzt den im Deutschen sperrigen Begriff der "ermöglichenden Verletzung" (enabling violation), um die zwei Seiten der Adoption zu charakterisieren. Die Ermöglichung in ihrem Fall war die Adoption eines schwer kranken Mädchens aus Paraguay. Die dem voran gegangene Verletzung bezieht sich nicht nur auf den Verlust der ersten Familie, seiner kulturellen und ethnischen Wurzeln sondern auch auf die politischen Rahmenbedingungen in Paraguay, das zu dem Zeitpunkt autoritär und korrupt regiert wurde.

”I enabled my daughter’s life by adopting her, but in another sense it was a violation for my daughter, who was uprooted from her home, her language and her country of birth. I may have violated the people of Paraguay by participating in an adoption process that the vast majority of Paraguayans deeply disapproved of and ultimately sought to end. I have of course tried to make sure that my daughter always knew the story, not only of her adoption, but of what I could gather of her birth mother’s decision. But I will never feel at ease until my daughter and I visit her birth mother and hear it directly from her.

There is no easy way in which the adopted child’s imaginary domain can be facilitated, although dual citizenship seems to be a minimum guarantee to adopted children, so that they can return to their country of birth if they so desire. Ultimately, international adoption is profoundly implicated in relations of inequality that cannot be addressed on the basis of one family alone. Perhaps, then, if we at least recognize international adoption as an enabling violation, we can avoid the worst kinds of self-righteous humanitarianism, and find ourselves pointed towards a struggle for a more just world."   

Dienstag, 18. Oktober 2011

Weitere Berichte über Schließungen von äthiopischen Kinderheimen

Das amerikanische Außenministerium bestätigt und aktualisiert Berichte über Schließungen von Kinderheimen in Südäthiopien. Diese beruhen auf dem Entzug von Lizenzen durch äthiopische Behörden. Die Kinder in den Heimen wurden bereits in andere Institutionen transferiert. Die betroffenen Kinderheime sind:

  • SOS Infants Ethiopia (Arbaminch, Dila and Awassa branches)
  • Gelgella Integrated Orphans (Tercha and Durame branches)
  • Bethzatha Children's Home Association (Sodo, Hosaena, Dila, Haidya, Durame, and Hawassa branches)
  • Ethio Vision Development and Charities (Dila and Hawassa branches)
  • Special Mission for Community Based Development (Hosaina branch)
  • Enat Alem Orphanage (Awassa branch)
  • Initiative Ethiopia Child and Family Support (Hawassa branch)
  • Resurrection Orphanage (Hosaina branch)
  • Musie Children's Home Association (Hadiya, Hosaina, Dila, and Kenbata branches)
  • Organization for Gold Age (Kucha, Dila, Hawassa branches)
  • Hidota Children's Home Association (Soto branch)
  • Biruh Alem Lehisanat, Lenatochina Aregawiyan (Hosaina branch)

Dienstag, 11. Oktober 2011

Ich bin kein verlorenes Kind - Dokumentation des WDR vom 6.10.2011

Der WDR hat am 6.10. eine sehenswerte Dokumentation ausgestrahlt, die auch als podcast auf der Webseite zu finden ist.

Louisa ist als Kleinkind aus Kiew adoptiert worden und wächst mit drei Brüdern in einer Berliner Familie auf. Louisas leibliche Eltern kommen aus Madagaskar. Die Eltern haben in der Ukraine und Usbekistan in den frühen 1990er Jahren studiert und sich dort kennengelernt. Die Beziehung ging aufgrund der räumlichen Trennung schnell in die Brüche. Die Mutter hat dem Vater nichts von dem Kind gesagt und Louisa unmittelbar nach der Geburt zur Adoption freigegeben. Bei der Freigabe hat sie angegeben, dass der Vater verstorben sei.

Auf Louisas Initiative konnten beide Eltern in Madagaskar gefunden werden. Der Vater ist Professor und ihre Mutter arbeitet an einem Gymnasium als Lehrerin. Das Fernsehen begleitet Louisa mit ihrer Berliner Adoptivfamilie in das Land ihrer afrikanischen Eltern und Großeltern. Es gibt ein ergreifendes Willkommen durch die Großmutter väterlicherseits, während die Eltern nur schwer den Kontakt zu ihrem Kind finden.  

Montag, 10. Oktober 2011

Andauernde unethische Praktiken amerikanischer Vermittlungsstellen

Selbst nachdem die äthiopische Regierung die Zahlen der Adoptionsfälle drastisch reduziert hat, gibt es nur wenig Neues über Verbesserungen zu berichten. Das amerikanische Außenministerium hat erneut eine Warnung an Adoptionsbewerber auf seine Webseite gesetzt. Danach warnt das Außenministerium eindringlich davor, unzureichende Dokumente bei der Botschaft einzureichen. Adoptiveltern müssen mittels einer I-600 Petition bei der Einwanderungsbehörde nachweisen, dass das Kind der amerikanischen Definition von 'Waise" entspricht und damit adoptierbar ist. Das Außenministerium führt dazu aus:

"Approximately 80% of I-600 petitions submitted to the U.S. Embassy in Addis Ababa in recent months were incomplete, contained inconsistencies or errors, or did not contain sufficient evidence to document the child as an orphan under U.S. law. In addition, the Embassy continues to see cases which involve abandoned children but do not include sufficient evidence to document the abandonment and/or evidence of appropriate efforts to locate a child’s birth family. The Embassy also has received evidence of unethical recruitment of children from birth relatives and cases involving known birth parents from whom parental rights have not been severed by the Ethiopian courts. In these cases, consular officers in Addis will need to take additional measures to confirm that a child meets the legal definition of orphan, which could delay processing by several months."

("Ungefähr 80% der I-600 Petitionen, die bei der amerikanischen Botschaft in Addis Abeba eingereicht wurden, waren entweder unvollständig, enthielten inkonsistente Informationen oder Fehler, oder unzureichende Information, um ein Kind als Waise nach amerikanischem Recht zu definieren. Zudem gibt es weiterhin Fälle, die Kinder als 'verlassen' klassifizieren, ohne dies nachzuweisen oder die notwendigen Anstrengungen nachweisen, die Eltern des Kindes zu finden. Die Botschaft hat Nachweis über unethische Praktiken des Rekrutierens von Kindern von Verwandten sowie Fälle, bei denen die Eltern ihre Elternrechte nicht aufgegeben haben, bzw. die äthiopischen Gerichte dies nicht festgestellt hat. In diesen Fällen werden die Konsularbeamte in Addis zusätzliche Maßnahmen ergreifen, dass ein Kind die legale Definition eines Waisen entspricht, was den Prozess um mehrere Monate verzögern kann.")

Die Reaktion des Außenministerium auf nachgewiesene unethische Praktiken ist erstaunlich. Anstatt die Anträge mit fehlerhaften, unethischen und nicht legalen Verfahren abzulehnen, ergreifen die Beamten zusätzliche Maßnahmen, um ein fehlerhaftes Verfahren nachträglich zu korrigieren. Das ist vielleicht im Sinne der zukünftigen Adoptiveltern, aber nicht im Sinne eines besseren Verfahrens. Die hohe Zahl von 80% fehlerhafter Anträgen wird nicht reduziert werden, wenn die Botschaft anbietet, durch weitere Maßnahmen das Spiel falscher Dokumentationen weiter mitzuspielen.   

Freitag, 7. Oktober 2011

Der Tod eines äthiopischen Adoptivkinds

In den USA erregt derzeit ein Fall besondere Aufmerksamkeit. Es ist der Todesfall eines 13-jährigen äthiopischen Mädchens, das 2008 mit seinem Bruder von einer amerikanischen Familie adoptiert wurde. Die Familie lebt abgeschottet und streng religiös. Die Kinder gingen nicht zur Schule. Die Eltern folgten strengen religiösen Prinzipien, die in dem Buch "How to Train Up a Child" festgehalten sind. Dazu gehören körperliche Züchtigung und das Vorenthalten von Nahrung.

Hana Williams starb am 12. Mai, nachdem sie bewusstlos und unterkühlt um Mitternacht draußen aufgefunden wurde. Die Ermittler stellten fest, dass sie Schläge und Hunger litt, dass sie die Nächte außerhalb des Hauses verbringen musste und seit der Adoption massiv an Gewicht verlor. Ihr 10-jähriger Bruder musste Ähnliches erdulden.

Die Eltern sind nun des Totschlags und Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Wenn sie verurteilt werden, müssen sie mit einer Gefängnisstrafe zwischen 20 und 29 Jahren rechnen. Ob die Vermittlungsstelle zur Verantwortung gezogen wird, ist nicht bekannt. Es ist jedoch unwahrscheinlich. Trägt sie eine Verantwortung? Selbstverständlich!

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Als Dolly Parton meine Mutter war

Liebe Kinofans, Internet-Nutzerinnen und Nutzer,

in der kommenden Ausgabe der PFAD Fachzeitschrift wird ein neuer amerikanischer Spielfilm (nicht Hollywood!) besprochen, der in Deutschland bisher nur auf dem LUCAS Kinderfilmfestival in Frankfurt/Main und auf dem Hamburger Filmfestival gezeigt wurde und dort viel Anklang fand.
Er heißt: "Als Dolly Parton meine Mutter war" - im Originial: "The Year Dolly Parton was my Mom", die Autorin heißt Tara Johns. Der Film ist für Erwachsene schon wegen der Gesprächsimpulse, die er enthält, bereichernd, und ist für Kinder ab 8 Jahren geeignet, weil er sich auf witzige, aber nicht oberflächliche Weise mit der Problematik der nicht offenen Adoption, der Wurzelsuche und der Kinderfantasie, eigentlich von viel besseren Eltern abzustammen, beschäftigt.

Hier kann man etwas Information bekommen:
http://www.lucas-filmfestival.de/2011/07/als-dolly-parton-meine-mutter-war/
http://www.lucas-filmfestival.de/2011/09/exklusiv-tara-johns-im-gespraech/

Die Autorin versucht nun, den Film international in die Kinos zu bekommen, hat aber wohl ein sehr schmales Budget für Werbung. Sie bittet alle Interessierten, über ihren Blog den Film für die eigene Heimatstadt oder nächste Großstadt anzufordern. Wenn sie genügend Interessenten nachweisen kann, wird es eher möglich sein, auch deutsche Kinoveranstalter davon zu überzeugen.


"The one very proactive thing you could do - is "demand it". There is a link on my blog site (http://www.theyeardollypartonwasmymom.blogspot.com/) where you - and as many of your friends and adoptee association members as possible - can click on the Demand It button and if enough people request it in your city and region, we may get a distributor!"

Also auf den Link klicken und ein Stückchen runterscrollen - auf der rechten Seite in dem rosa Streifen ist ein gelber Link mit Aufschrift: Demand it! Dort geht es los. Ich habe nur das Nötigste ausgefüllt und anderes mit "Skip" übersprungen.

Liebe Kinofans, wenn Sie Zeit finden und "den Nerv" für so etwas haben, bitte mitmachen und diese Mail weiterleiten!

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Ethik und Ethik

Es gibt zwei sehr unterschiedliche Ethikdiskurse über Adoptionen. Der erste thematisiert die Bedingungen unter denen Adoptionen stattfinden sollen. Er definiert die Voraussetzungen für Adoptionen:
  • Notwendigkeit (kein Kind soll ohne Not von seinen Eltern getrennt werden),
  • Wahrhaftigkeit (jedes Kind hat Anspruch auf die Wahrheit seiner Abstammung) und
  • Legalität (das Verfahren der Adoption muss legal und ohne Zwang und Korruption vollzogen werden).
Nur wenn alle drei Voraussetzungen vorliegen, kann von einer ethischen Adoption gesprochen werden. Die Diskussion dreht sich dann im Wesentlichen darum, wie diese Voraussetzungen auch in Ländern mit schwachen Verwaltungsstrukturen, Armut und Korruption erfüllt werden können und was passieren sollte, wenn dies nicht geschieht. Um diese Fragen geht es im Wesentlichen in diesem Blog.

Die zweite Diskussion, die auch unter dem Titel der Ethik in Adoptionen geführt wird, dreht sich um das Verhältnis von erster und zweiter Familie und der Beziehung zum Kind. Sie wird in erster Linie von erwachsenen Adoptierten und ersten Müttern geführt, die die Sprache und Haltung von solchen Adoptiveltern heftig kritisieren, die Adoption als "Rettung von Kindern", als "Recht kinderloser Paare" oder als "Gottes Auftrag" darstellen. Dahinter verbirgt sich Respektlosigkeit und mangelndes Einfühlungsvermögen für die Situation der Kinder und Eltern, die voneinander getrennt wurden.

Diese Diskussion ist fast unmöglich zu führen, da sie von tiefen Kränkungen genährt und angetrieben wird. Sie ist polarisiert und fast ausschliesslich mit Schuldzuweisungen besetzt. Aus der Perspektive von Adoptiveltern kann man kaum darauf reagieren, da die für diese Fragen sensibilisierten Adoptiveltern nicht der Gegenstand der Kritik sind. Es gibt auch keine Lösung - außer Adoptiveltern entschuldigen sich stellvertretend für diejenigen, an deren Adresse die Kritik gerichtet ist. Damit ist jedoch auch niemandem wirklich geholfen, da sich die Einstellung der Anderen nicht ändert.

Die Vermischung beider Diskurse macht eine vernünftige Diskussion sehr schwierig. Oftmals befeuern gekränkte/traumatisierte Adoptierte einen Antiadoptionsdiskurs, der alles verteufelt, was eine Adoption rechtfertigen könnte. Das ist ihr gutes Recht, bringt aber die Debatte nicht weiter. Es geht daher in der Diskussion darum, Emotionen von Argumenten zu trennen; so schwer das den Einzelnen fallen mag. Nur dann kommen wir Lösungen näher.