Dienstag, 30. August 2011

Multikulti - zur kulturellen Identität international adoptierter Kinder

Alle Kulturen haben ihre Geschichte, Gebräuche und Rituale. Kinder nehmen sie automatisch auf und werden ein Teil von ihr. Sie lernen Lieder, Tänze, Rezepte und eine gemeinsame Erinnerung ihrer Gesellschaft, die sie im Inneren zusammenhält. International adoptierte Kinder wachsen in der Kultur ihrer Adoptiveltern auf. Sie lernen die Sprache ihrer Eltern nicht und bewegen sich in ihren Heimatländern wie Touristen. Viele Adoptierte berichten, wie sie auf der Straße angesprochen werden und die Verwunderung der Anderen sehen, wenn sie die Sprache nicht verstehen.

Sind diese Kinder in ihrer kulturellen Identität defizitär?

Das hängt davon ab, wie stark sie in ihrer neuen Familiensituation verankert sind. Wenn Kinder in ihrer Persönlichkeit und Identität gefestigt sind, wenn sie ihre zwei oder drei Kulturen, die es in ihrer Familie gibt, als natürliche Bestandteile einer zunehmend interkulturellen Welt ansehen, fehlt ihnen nichts. Wenn sie sich jedoch in der Familie als Außenseiter und 'anders' wahrnehmen, dann fehlt ihnen umso mehr ihr Zugang zu ihrer eigenen Kultur. Die Lösung liegt daher in den Beziehungen zwischen Adoptiveltern und Kindern, die wiederum stark von der Traumatisierung des Kindes durch Verlassenwerden und Vernachlässigung abhängen. Stabile Kinder in stabilen Familien können sehr gut mit verschiedenen Kulturen umgehen und ihre gemischte Identität als positive Ergänzung empfinden. Verletzte Kinder empfinden dies als Herausforderung und Defizit.

Die Diskussion über kulturelle Identität ist daher eine Stellvertreterdiskussion. Es geht um gefestigte Persönlichkeiten in jedweder Kultur und der Weg dorthin führt über das psychisch gesunde Kind. Kulturcamps, in denen die Kultur des Heimatlands zelebriert werden, helfen dabei nur begrenzt. Die dort erlebte Kultur ist offensichtlich künstlich und nicht natürlich. Sie helfen jedoch in dem Sinn, dass das Kind spürt, dass die Eltern es in seiner eigenen Identität (in der seine Heimatkultur eine große Rolle spielt) ernstnehmen.

Samstag, 27. August 2011

Die Rückgabe illegal adoptierter Kinder

Ein Gericht in Guatemala hat vor einigen Wochen die Rückgabe eines in die USA adoptierten sechsjährigen Mädchens angeordnet. Karen Abigail  - mit richtigem Namen Anyelí Liseth Hernández Rodríguez -wurde im Alter von 2 Jahren vor dem Haus ihrer Eltern in Guatemala entführt. Ihre Eltern zeigten die Entführung sofort bei der Polizei an. Dennoch suchte die Mutter vier Jahre lang nach ihrer Tochter und musste in einen Hungerstreik treten, damit die Behörden ihr bei der Suche halfen. Sie fand das Foto ihrer Tochter in Akten von Kindern, die in die USA adoptiert wurden. Die Adoption basierte auf gefälschten Dokumenten und Zeugenaussagen sowie einer gefälschten DNA. Mittlerweile wurden acht Personen im Zusammenhang mit dem Kinderhandel in Guatemala vor Gericht gestellt. Den Adoptiveltern droht ein Zwangsgeld von $380 und die Einschaltung von Interpol, wenn sie das Kind nicht aushändigen.

Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Adoptiveltern von der Entführung und den gefälschten Papieren wussten. Bislang äußerten sich die Adoptiveltern vor der Presse über eine Mitteilung, in denen sie aussagten, dass sie "weiterhin für die Sicherheit und Interessen ihres legal adoptierten Kindes eintreten. Sie werden dafür sorgen, dass ihre Tochter vor einer weiteren Traumatisierung geschützt wird und werden die wahre Herkunft durch legale Kanäle feststellen lassen."

Das Gerichtsurteil ist wegweisend im Umgang mit kriminellen Praktiken in internationalen Adoptionen und ein Präzendenzfall. Es ist schwer abzusehen, ob das Urteil in den USA vollstreckt werden kann. Sollte es vollstreckt werden?

Für Adoptiveltern kommt dieser Fall und das Urteil einem Albtraum gleich. Dem Kind und seinen Eltern wurde großes Unrecht angetan. Ein kleines Kind wurde ohne Not von seinen Eltern getrennt und zur Adoption freigegeben. Die Motive der Täter waren eindeutig kriminell. Ein klarer Fall von Kinderhandel. Die Konsequenz der Rückgabe "ihres Kindes", um das sie sich vier Jahre lang als Eltern gekümmert haben, ist herzzerreißend und für alle Beteiligte tragisch. Dennoch gibt es aus ethischer Perspektive kaum einen Grund, sich diesem Anliegen zu verweigern.

In dem hier beschriebenen Fall fehlte der Adoption die rechtliche wie auch die ethische Grundlage. Das Kind hat leibliche Eltern, die für es sorgen können und wollen. Die Rechte der Eltern und des Kindes wurden durch die Entführung massiv verletzt. Das Kind wurde in einem frühen Alter durch die Entführung traumatisiert.

Die Adoptiveltern könnten (und werden wahrscheinlich) argumentieren, dass eine Rückgabe das Kind erneut traumatisiert und nicht seinem Wohl dient. Das ist zwar möglich; die Alternative ist allerdings nicht weniger traumatisierend: Sie würden dem Kind seine leiblichen Eltern vorenthalten, die es aus legitimen Gründen zurückfordern. Ihr eigene Elternrolle würde auf einer Straftat basieren, an der sie zwar keinen Anteil hatten, ohne die sie jedoch das Kind nicht hätten adoptieren können.

Man kann auch nicht als Grund anführen, dass das Kind in einen neuen Kulturkreis versetzt würde, dessen Sprache und Gebräuche es nicht kennt. Das ist in Auslandsadoptionen gang und gäbe.

Wir wissen noch nicht, welchen Weg die Adoptiveltern einschlagen werden. Sie können in Guatemala in Berufung gehen und es ist wahrscheinlich, dass sie sich gegen das Urteil wehren. Man kann nur hoffen, dass sie und die leiblichen Eltern eine gemeinsame Lösung im Interesse von Anyeli suchen und finden.

Samstag, 20. August 2011

Ein Medienpreis?

Die Kindernothilfe vergibt jährlich einen Medienpreis, um herausragende Publikationen und Filme auszuzeichnen, die in besonders eindringlicher Weise die Not von Kindern thematisieren. Wie die Kindernothilfe mitteilte, stehen die Nominierungen für den diesjährigen Medienpreis nun fest. Dazu gehört auch der taz-Artikel "Der verlorene Sohn" von Greta Taubert und Benjamin Reuter, der letztes Jahr im Mai erschien. Der Artikel behandelte die Geschichte eines äthiopischen Jungen, der von seinen Eltern abgegeben und nach Deutschland adoptiert wurde. Sein Vater hatte die Mutter für tot erklärt, um die Adoption zu ermöglichen. Ein typischer Fall für ethische Probleme in der Adoptionsvermittlung - ermöglicht durch die verzweifelten Lage einer Familie und ausgebeutet für politische Zwecke.

Während die Vortäuschung des Tods der Mutter und die dadurch erfolgte Abgabe des Kindes ein schwerwiegender Eingriff in seine Rechte ist, und in jedem Fall ein lohnenswertes Thema für investigativen Journalismus darstellt, muss die Nominierung des Artikels jedoch für alle überraschend sein, die ihn gelesen haben. Der Artikel gehört leider in die Kategorie Kampagnenjournalismus. Er klärt nicht auf und recherchiert auch wenig über die Hintergründe internationaler Adoptionen sondern reproduziert die Argumente einer bestimmten Lobbygruppe, die gegen Auslandsadoptionen vorgeht und die den Autoren entsprechende Informationen zur Verfügung gestellt hat. Diese wurden mit alt bekannten Stereotypen und einem Einzelschicksal versehen und in einer reißerischen Sprache in eine Story verwandelt.

Da geht es um eine Frau, die sich ein „schönes Baby“ wünscht; Eltern, die „investieren“, dem Leiter einer Adoptionsagentur mit einer Hautfarbe „die von häufigen Afrikaaufenthalten zeugt“ und Adoptiveltern, die sich in Internetforen verschanzen und die Öffentlichkeit scheuen. (Letzteres ist nur zu verständlich, wenn man sich die hier gewählte Form der Öffentlichkeit betrachtet. In der Darstellung wurden die Persönlichkeitsrechte der Adoptivfamilie verletzt, indem der Artikel von einem Bild begleitet wird, auf dem die Familie leicht erkennbar ist, und der im Artikel verwandte Name des Kindes auch Aufschluss auf die Familie gibt.)

Warum die Berichterstattung über ethische Fragen in Auslandsadoptionen grundsätzlich nur zwischen den Extremen 'abzulehnender Kinderhandel' oder 'lobenswerte Kinderrettung' pendelt, bleibt weiterhin eine offene Frage. Es wäre jedenfalls schade, wenn die Jury des Medienpreises diese Schwarzweissmalerei unterstützen würde.

 

Mittwoch, 17. August 2011

Update Schließung von Kinderheimen

Das amerikanische Außenministerium informierte bereits am 3. August auf seiner Webseite über die Schließung der folgenden Kinderheime durch die äthiopische Regierung. Es wurden keine weiteren Gründe angegeben:
  • SOS Infants Ethiopia (Arbaminch, Dilla, and Awassa branches)
  • Gelgella Integrated Orphans (Tercha and Durame branches)
  • Bethzatha Children’s Home Association (Sodo, Hosaena, Dilla, and Awassa branches)
  • Ethio Vision Development and Charities (Dilla branch)
  • Special Mission for Community Based Development (Hosaena branch)
  • Enat Alem Orphanage (Awassa branch)
  • Initiative Ethiopia Child and Family Support (Awassa branch)
  • Resurrection Orphanage (Hosaena branch)

Samstag, 13. August 2011

Die Wahrheit äthiopischer Adoptionen

Ein neuer blog amerikanischer Adoptivmütter von äthiopischen Kindern gibt Adoptiveltern eine Plattform, um ihre persönliche Erfahrungen mit Adoptionen aus Äthiopien zu berichten. Er gibt einen guten Einblick in die unethischen Praktiken von (amerikanischen) Vermittlungsstellen und Kinderheimen. Die Berichte sind leider nicht untypisch.