Freitag, 30. Dezember 2011

Zwei Bücher zum Jahresende

In diesem Jahr sind zwei Bücher von herausragenden Autorinnen erschienen, die beide ihre eigenen Erfahrung mit Adoption auf sehr persönliche Art und Weise verarbeiten. Beide gehören in ihren Heimatländern und darüber hinaus zu Bestsellerautorinnen mit intellektuellem Gewicht; ihre Bücher sind von einer außergewöhnlichen Direktheit und unerschrockenen Ehrlichkeit.

Cover art for BLUE NIGHTS

Blue Nights ist das verstörende Buch von Joan Didion, in dessen Zentrum der Tod ihrer Adoptivtochter steht. Er ist eng verwoben mit dem Tod ihres Mannes, der kurz nach der Erkrankung der Tochter an einem Herzinfarkt stirbt. Quintana liegt zu dem Zeitpunkt bereits im Koma. Der Tod ihres Mannes und das Jahr danach ist Thema des Bestsellers und Bühnenerfolgs The Year of Magical Thinking. Blue Nights könnte man als Folgebuch lesen, aber es ist doch eine noch radikalere Abrechnung mit dem Alter, ihrem eigenen Leben und dem Tod. Dass Quintana ihre Adoptivtochter war, spielt dabei eine nicht unwichtige Rolle. Ihre Ängste und Selbstzweifel, die Art, wie sie ihren Eltern gerecht werden will, sind Themen von adoptierten Kindern. Aber auch ihre eigene Rolle als Adoptivmutter reflektiert Joan Didion auf schmerzhafte Weise. Panisch reagiert sie, als sie sich mit ihrer Familie in der Heimatstadt der leiblichen Mutter aufhält. Zu groß ist die Angst, die erste Mutter könnte ihr Quintana streitig machen. Zu groß ist selbst heute noch der Wunsch, dass die Beziehung zur ersten Familie auch irgendwann beendet sein müsste. Sie müsste es besser wissen, kann aber die andere Elternschaft kaum greifen und schon gar nicht verstehen.



Das Verhältnis von zweiter zu erster Mutter spielt auch eine wesentliche Rolle in dem autobiographischen Roman Why Be Happy If You Could Be Normal von Jeannette Winterson. Jeannette Winterson wurde Anfang der sechziger Jahre im Norden Englands von streng religiösen Eltern der Pfingstgemeinde adoptiert und wuchs in einem lieblosen wie neurotischen Elternhaus auf. Mit sechzehn setzte ihre Adoptivmutter sie vor die Tür, als sie sich als Lesbe zu erkennen gab. In der Situation entstand auch das Zitat, das dem Buch den Titel gab. Bereits in ihrem Erstlingswerk und Bestseller Oranges Are Not The Only Fruit aus dem Jahr 1985 setzte sie sich mit ihrer Adoptivmutter und ihrem Elternhaus harsch auseinander. Ein Vierteljahrhundert später analysiert sie diese Beziehung erneut in einem milderen Licht und konfrontiert sie mit ihrer persönlichen Entwicklung in den nachfolgenden Jahrzehnten. Ihre Adoptivmutter hat sie zwar nach dem Rauswurf nur noch ein einziges Mal gesehen. Allerdings führt eine Lebenskrise mehr als zwanzig Jahre später sie zur Suche ihrer leiblichen Mutter, die sie ambivalent erlebt. Während ihre erste Familie mit Tanten, Stiefgeschwistern und Mutter sie freudig in die Familie aufnimmt, wird ihr selbst wiederum deutlich, wie stark sie von den Kämpfen mit ihrer Adoptivmutter auch in ihrer kreativen Entwicklung geprägt wurde.    

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern unseres blogs und der webseite ein gutes und erfolgreiches Jahr 2012!

Dienstag, 27. Dezember 2011

Mit den Augen eines Adoptivkindes - eine weitere Paradoxie von Adoptionen

Ältere adoptierte Kinder sehen die ethischen Aspekte ihrer Adoption zuweilen erheblich nüchterner als ihre von den mangelnden ethischen Standards der Verfahren geplagten Adoptiveltern. Die Augen fest nach vorne gerichtet vergleichen sie ihr altes mit ihrem neuen Leben und haben ein instiktives Gespür für die Unterschiede der zumeist kindzentrierten Adoptivfamilien mit den Überlebenskämpfen in ihren Herkunftsfamilien.

Nach Angaben von UNICEF müssen 53% der Kinder in Äthiopien im Alter zwischen 5 und 14 Jahre arbeiten. 49% der Mädchen in Äthiopien heiraten vor ihrem 18. Lebensjahr. Unter den ärmsten 20% sind es sogar 61%. 74% aller äthiopischer Frauen sind Opfer von Genitalverstümmelungen geworden.

Das African Child Policy Forum hat 2006 einen Bericht mit dem Titel "Sticks, Stones and Brutal Words: The Violence Against Children in Ethiopia" veröffentlicht, der auf Befragungen von Kindern und Erwachsenen beruht. Danach ist das Ausmaß der Gewalt gegen Kinder in Äthiopien erschreckend:
  • Mehr als 60 Prozent der befragten Erwachsenen gaben an, Kinder mit einem Seil oder Draht festgebunden zu haben und 57 Prozent gaben zu, ein Kind mit der Faust geschlagen zu haben.
  • Mehr als 70 Prozent der Kinder wurden mit einem Stock oder einem anderen Gegenstand geschlagen.
  • 60 Prozent haben selbst Kindesentführungen miterlebt.
  • 62,6 Prozent der Erwachsenen gaben zu, ein Kind gezwungen zu haben, den Rauch einer brennenden Chilischote einzuatmen.
Kinder, die nicht mit ihren Eltern sondern mit ihren Verwandten leben, leiden nach Angaben des Berichts mehr unter der Gewalt von Erwachsenen als andere. Sie müssen mehr arbeiten und werden mehr geschlagen. Dies sind häufig auch die Kinder, die als bereits ältere Kinder von den Verwandten ins Heim gegeben werden oder weglaufen und auf der Straße aufgegriffen werden.

Es wundert daher wenig, wenn Kinder mit solchen Erlebnissen ihre eigene Adoption anders betrachten als solche, die als Baby adoptiert wurden. 63,4 Prozent der für den Bericht interviewten Kinder bestätigten, dass sie Gewalt an Kindern als Menschenrechtsverletzung ansehen, insbesondere im Bereich der sexuellen Gewalt.

"The study revealed that adults perceived violence against children as acts that inflicted injury or harm in an unacceptable manner or that transgressed the law. Children shared this perception, but added that violence was also a human rights issue. While the majority of adults considered sexual violence unacceptable under any circumstance, at the same time they were reluctant to consider female genital mutilation (FGM) and early marriage as unacceptable forms of violence. In contrast, children showed no tolerance for such harmful traditional practices. All forms of sexual violence were unacceptable to them, whether they are cultural or traditional. In the study, 48 percent and 38.7 percent of the children indicated that they personally know of cases of early marriage and FGM, respectively."

Aus der Perspektive älterer Adoptivkinder, insbesondere Mädchen, sind daher die in in diesem Blog diskutierten ethischen Fragen von Auslandsadoptionen eher in der Kategorie von Luxusproblemen liberaler Wohlstandsgesellschaften angesiedelt. Auch wenn auch sie an dem Trauma des Verlusts ihrer ersten Familie zu arbeiten haben, wissen sie zugleich, was sie durch die Adoption gewonnen haben. Das ist in der Regel ein Leben ohne Gewalt, ohne Armut und ohne Überlebensängste. Das ist kein Grund, sich nicht mehr mit den ethischen Fragen von Auslandsadoptionen zu beschäftigen, aber ein wichtiges Korrektiv in manchen erhitzten Debatten. 

Donnerstag, 22. Dezember 2011

Der perfekte Sturm

Eine Leserin hat uns auf einen neuen Artikel von Kathryn Joyce hingewiesen, der in der Zeitschrift  The Atlantic erschien und in der Tat lesenswert ist. Er ist überschrieben mit "How Ethiopia's Adoption Industry Dupes Families and Bullies Activists" und beschreibt im Wesentlichen, wie die amerikanische Adoptionsindustrie versucht, durch Einschüchterung von Kritikern und Adoptiveltern die Vermittlungswege weiter offen zu halten.

Für Leserinnen und Leser dieses blogs ist die Geschichte, wie die amerikanischen Vermittlungsstellen Äthiopien eroberten, bereits bekannt. Einige neue Aspekte gibt es jedoch. Der erste ist die eindeutige Aussage, dass für äthiopische Familien die Vorstellung von Adoption eine völlig andere ist als in westlichen Gesellschaften.

"Äthiopier haben nicht die Vorstellung, dass Adoption ein klarer Bruch mit der ersten Familie ist. Manche denken, dass das Kind zwar im Ausland aufwächst, aber sie es danach wieder sehen werden. Eine hoch entwickelte und verrechtlichte Gesellschaft trifft auf eine sehr arme und traditionelle."

Wenn sich in den Dörfern herumspricht, dass die Familien von der Abgabe eines Kindes profitieren, dann wirkt das ansteckend. "Es ist sehr gefährlich; man spielt mit der Armut der Menschen, ihren Gefühlen und Bedürfnissen in einer wirklich profunden Art und Weise."

Der zweite Aspekt betrifft die Umsetzung des Adoptionsstopps. Bis heute wurden 23 Kinderheime geschlossen. Gleichzeitig zeigt eine Analyse von Gerichtsurteilen, die von UNICEF in Äthiopien durchgeführt wurde, dass der Stopp nicht lange angehalten hat, und heute die Adoptionszahlen wieder auf dem vorherigen Niveau sind.

Drittens gibt es nun direkte Hinweise darauf, dass es durchaus gefährlich ist, wenn Adoptivfamilien die Herkunft ihrer Kinder überprüfen wollen. Während es einerseits eine positive Entwicklung ist, dass Adoptiveltern dies tun, stoßen sie gleichzeitig auf Hindernisse, da die Searcher, die sie damit beauftragen, von offiziellen Stellen eingeschüchtert werden, die dazu noch von den Vermittlungsstellen dazu angehalten werden.
 
Ob sich durch den angekündigten Adoptionsstopp in diesem Jahr an den Praktiken tatsächlich etwas geändert hat, ist nicht klar. Einerseits gibt es ein größeres Bewusstsein von ethischen Aspekten in Adoptionsverfahren und die Regierung hat das Thema aufgegriffen. Andererseits ist die Nachfrage weiterhin hoch; und der Druck der Vermittlungsstellen auf die Gerichte und Regierung scheint erfolgreich gewesen zu sein.

Montag, 19. Dezember 2011

Rechtmäßigkeit ohne Rechtsstaat - Adoptionen in Äthiopien

Am 21. November 2011 veröffentlichten Human Rights Watch und Amnesty International einen Aufruf an die äthiopische Regierung, von der Verfolgung von Journalisten und friedlichen politischen Aktivisten durch die Anwendung ihrer übermäßig breiten Antiterrorismusgesetze abzusehen.

Am 23. November 2011 wurde der Prozess gegen 24 des Terrorismus verdächtigten Angeklagten fortgesetzt. Darunter waren sechs Journalisten und zwei Mitglieder der oppositionellen Partei Unity for Democracy and Justice (UDJ). Gegen sechzehn der 24 wird in Abwesenheit verhandelt. Mehrere andere Verfahren gegen Journalisten und Aktivisten finden zeitgleich statt.

Äthiopien ist keine Demokratie und kein Rechtsstaat. Keiner der Angeklagten hatte Zugang zu einem Verteidiger vor dem Verfahren. Drei der Angeklagten haben sich im Gerichtssaal über Misshandlungen beschwert. Menschenrechts-organisationen werden von der Regierung ebenso unterdrückt wie oppositionelle Parteien. Premierminister Meles Zenawi hat sich bereits über die Verfahren geäußert und somit die Unschuldsvermutung gegenüber den Angeklagten unterminiert. Die Äußerungen setzen die Gerichte unter Druck; die äthiopische Gerichtsbarkeit ist nicht unabhängig.

Wie kann in einem autoritär regierten Land eine unabhängige Prüfung des Adoptionsbedürfnisses verlassener Kinder stattfinden? Wie können deutsche Gerichte im Anerkennungsverfahren davon ausgehen, dass die in den äthiopischen Gerichtsurteilen dokumentierten Sachverhalte faktisch richtig sind und den deutschen Rechtsgrundsätzen entsprechen? Im Zweifel gar nicht. Die Anerkennung äthiopischer Adoptionsurteile basieren auf einer Fiktion einer Teilautonomie äthiopischer Familiengerichte, die wiederum jedoch auf fraglichen Annahmen basiert. Aus rechtsstaatlicher Perspektive ist es nicht möglich zu wissen, mit welcher Motivation und welchem Handlungsspielraum ein äthiopischer Richter über einen Adoptionsantrag befindet. In einer für das Kind und die beteiligten Familien lebensentscheidenden Frage ist das zugrunde gelegte Verfahren nicht vertrauenswürdig.

Die Folgen sind problematisch. Zum einen urteilen deutsche Richter anders als äthiopische Gerichte, wie das Urteil des OLG Düsseldorf vom Januar diesen Jahres zeigt. Zum anderen bleibt ein Nachgeschmack bei der Betrachtung der äthiopischen Urteile, die oftmals der einzige Beleg der Herkunft der Kinder sind. Die dort aufgeführten Sachverhalte mögen zutreffen. Es könnte aber auch ganz anders gewesen sein. Diese Ungewissheit ist für Kinder und Familien schwer zu ertragen.

Dienstag, 13. Dezember 2011

Das Paradox von Adoptionen

Adoption ist ein ungewöhnliches Zusammentreffen eines Kinderwunsches eines Paares mit dem Verlassenwerden eines Kindes. Für zwei sehr unterschiedliche Arten von sehr persönlichen Verletzungen wird durch die Adoption im Handumdrehen eine gemeinsame Lösung gefunden. In der Adoption dient das verlassene Kind als Erfüllung des Kinderwunsches. Ob dabei das Kind auf seine Kosten kommt und nicht vielleicht immer nur Ersatz bleibt, ist der Kern vieler kritischer Diskussionen Adoptierter über Adoptionen. Und ob nicht die Erfüllung eines Kinderwunsches an sich bereits selbstsüchtig und unangemessen ist - noch dazu vor dem Hintergrund eines verlassenen Kindes.

Durch das Dickicht der hitzigen Adoptionsdiskussionen und auf den unzähligen blogs zum Thema zieht sich immer wieder die paradoxe und schmerzhafte Feststellung, dass das Leid des Kindes gleichzeitig die Freude der Eltern ist. Adoptiveltern feiern den Adoptionstag - in Amerika als 'gotcha day' - an dem das Kind in die neue Familie kam. Für das Kind ist es jedoch der Tag des endgültigen Verlusts seiner ersten Familie, seiner Herkunft und seiner 'natürlichen' Identität vor der Adoption.

Wie darauf reagieren? Auf einem lesenswerten blogbeitrag einer Therapeutin und Adoptivmutter liest man: "I have come to believe that every simple, clear statement made about the adoption experience, from any perspective, is at worst wrong and at best incomplete." Das ist einfühlsam und unterstreicht die Komplexität von Adoptionen. Adoptiveltern können zu der Zeit des Kindes vor der Adoption sowie zu seiner Beziehung zu seiner leiblichen Familie wenig sagen. Sie kennen sie nicht aus eigener Erfahrung. Sie wissen nicht, ob und wie bereits ein Säugling über den Verlust seiner Mutter trauern kann. Aber sie können die subjektive Erfahrung des Kindes als solche respektieren. Wie die Beziehung sich auch immer im Laufe der Zeit entwickeln wird und welchen Stellenwert die Herkunftsfamilie für das Kind haben wird; Adoptiveltern können und müssen sie als Teil ihres Kind anerkennen und die Trauer des Kindes verstehen und begleiten. Das ist ihre Aufgabe.   

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Das Hamlin Fistula Hospital in Addis Abeba

Die australischen Gynäkologen Reg und Catherine Hamlin kamen 1959 nach Addis Ababa, um eine Hebammenschule zu eröffnen. Heute ist daraus ein vorbildliches Krankenhaus zur Behandlung von Frauen geworden, die bei der Geburt ihrer Kinder schwere innere Verletzungen erlitten. Wenn die Kinder bei der Geburt den Geburtskanal nicht passieren können, leiden die Frauen nicht nur tagelang unter den Wehen, bei denen die Kinder sterben. Sondern es entstehen auch Risse in der Blase, der Vagina und dem Darm. Diese Risse, Fisteln genannt, führen zu schwerster Inkontinenz.

Cover of book, The Hospital by the RiverDie Hamlins haben in Addis Abeba 1974 das erste Krankenhaus aufgebaut, das sich auf diese Verletzungen spezialisiert. Catherine Hamlin hat den Aufbau des Krankenhaus in ihrer Autobiographie The Hospital by the River: A Story of Hope beschrieben. Die Landschaft, die Monarchie von Haile Selassie und das Chaos der kommunistischen Regierung werden mit viel Gefühl und Detail geschildert. Gleichwohl bleibt im Mittelpunkt das Schicksal der zahllosen jungen Frauen, die durch mangelnde medizinische Versorgung schwerste Verletzungen erleiden.

Der Verein Fistula e.V. unterstützt das Hamlin Fistula Hospital in Äthiopien.

Mittwoch, 7. Dezember 2011

Privatadoptionen

Unter Privatadoptionen versteht man solche Auslandsadoptionen, die ohne Einschaltung einer deutschen Vermittlungsstelle erfolgen. Sie sind besonderen rechtlichen wie auch tatsächlichen Risiken ausgesetzt, da die Adoptiveltern keine fachliche Beratung bekommen und sich vollständig auf die Vermittler im Herkunftsland verlassen müssen. Auch werden die Adoptiveltern nicht auf ihre Eignung durch deutsche Stellen geprüft, sondern wenn überhaupt in den Herkunftsländern. Sie sind daher ein wesentliches Einfallstor für Korruption und fingierte Dokumente.

Privatadoptionen erfolgen entweder komplett im Herkunftsland des Kindes oder werden über ausländische Vermittlungsstellen - in der Regel amerikanische - abgewickelt. Adoptiveltern bewerben sich im Herkunftsland direkt für ein Kind, das sie zuvor in einem Kinderheim kennengelernt haben. Das Familiengericht im Herkunftsland beschliesst daraufhin die Adoption. Ob ein Sozialbericht für die Adoptiveltern oder eine Adoptionsbedürftigkeit des Kindes festgestellt wird, bemisst sich nach den Gesetzen des Herkunftslandes.

Problematisch werden Privatadoptionen, wenn die Anerkennung durch deutsche Gerichte beantragt wird (z.B. um die deutsche Staatsangehörigkeit zu erhalten). Dann wird geprüft, ob die ausländische Adoption den deutschen Rechtsgrundsätzen - insbesondere der Eignung der Adoptiveltern und die Notwendigkeit einer internationalen Adoption - entspricht. Auch bei Adoptionen aus Ländern, die die Haager Konvention unterzeichnet haben, wird geprüft, ob die Adoptionsentscheidung den Grundsätzen der Haager Konvention folgte. Wenn dem nicht so ist, wird der Adoption die deutsche Anerkennung verweigert.

Man weiß in Deutschland nicht, wieviele Kinder jedes Jahr durch Privatadoptionen adoptiert werden, da diese nicht meldepflichtig sind. Es gibt jedoch Angaben über die Anerkennungsverfahren vor deutschen Gerichten. Nach Auskunft des Bundesamts für Justiz sind das ca. 1000 im Jahr. Davon werden etwa 10% nicht anerkannt. Fast alle dieser Fälle - eine wichtige Ausnahme im Bereich Adoptionen aus Äthiopien haben wir ausführlich dokumentiert - sind Privatadoptionen.

Liest man die Gerichtsentscheidungen der Vormundschaftsgerichte, die das Bundesamt in einer Datenbank ins Netz gestellt hat, dann bekommt man einen Eindruck von der Realität der Privatadoptionen. Eine große Zahl der Entscheidungen betreffen Verwandtenadoptionen von Familien aus der Türkei und dem Kosovo, bei denen Kinder von den Großeltern, Tanten oder befreundete Familien nach Deutschland adoptiert werden sollen. Allerdings gibt es auch Fälle von Leihmutterschaft durch Verwandte in der Türkei oder Vertragsadoptionen aus Indien. In zweiter Instanz zurückgewiesen wurde eine Privatadoption aus den USA, da sich das amerikanische Gericht nicht an die Bestimmungen der Haager Konvention gehalten und inbesondere das Adoptionsbedürfnis des Kindes nicht geprüft hatte. In einem Fall eines Kindes aus Nepal wurde die Anerkennung verweigert, da vor dem Gericht in Nepal angegeben wurde, die Mutter sei unbekannt, während dem deutschen Gericht eine Einverständniserklärung der leiblichen Mutter vorgelegt wurde.

In der Summe kann man vor Privatadoptionen nur warnen.  Auch bei Adoptionen aus Vertragsstaaten der Haager Konvention kann man sich nicht darauf verlassen, dass diese automatisch in Deutschland anerkannt werden. Es ist gut, dass es ein Korrektiv durch deutsche Gerichte gibt. Es wäre jedoch noch besser, wenn die Einschaltung eines deutschen Jugendamtes verpflichtend für jede Form der Visaerteilung ausländischer Kinder zur Einreise nach Deutschland zum Zwecke der Adoption gemacht würde. Damit könnte man Adoptionsbewerbern schon früher die Risiken von Privatadoptionen verdeutlichen.

Montag, 28. November 2011

Amerikanische Verhältnisse?

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wurden im Jahr 2010 382 ausländische Kinder zur Adoption nach Deutschland gebracht, deren Adoptiveltern nicht mit den Kindern verwandt sind. Äthiopien war das größte Senderland mit 97 Kindern gefolgt von Russland, Thailand und Bulgarien. 2009 waren es noch 72 Kinder aus Äthiopien und 2008 waren es 47 und 2007 29. Damit sind in Deutschland die Zahlen adoptierter Kinder aus Äthiopien ähnlich schnell in die Höhe geschossen wie in den USA. Gleichzeitig sind jedoch die Gesamtzahlen aller Auslandsadoptionen nach Deutschland im gleichen Zeitraum deutlich gesunken. 2007 kamen noch 567 Kindern aus dem Ausland nach Deutschland.*

Die Zahlen verdeutlichen zum einen wie groß der Abstand zum Adoptionsland USA ist; zum anderen aber auch dass das in den Medien gerne gezeichnete Bild der Auslandsadoption als Lösung für die zunehmende ungewollte Kinderlosigkeit verwöhnter Mittelschichtsfamilien kaum zutrifft. 660.000 Geburten im Jahr stehen knapp 400 Auslandsadoptionen gegenüber. Die Zahl der vorgemerkten Adoptionsbewerbungen sank in den letzten zwanzig Jahren um über 60%.

Während also die Gesamtzahlen von Inlands- und Auslandsadoptionen in Deutschland seit langem sinken, war Äthiopien in den letzten Jahren ein Ausreißer. Das hängt zum einen mit dem 'Erschließen' von Äthiopien als Senderland durch amerikanischen Vermittllungstellen und zum anderen mit der Gründung einer neuen Vermittlungsstelle zusammen. Die bayerische Vermittlungsstelle Eltern für Afrika hat 2007 seine erste Vermittlung aus Äthiopien durchgeführt und ist seitdem rasant gewachsen. Mit Eltern für Afrika wurde das Vermittlungsverfahren aus Äthiopien nach Deutschland insofern 'amerikanisiert', als dass Eltern für Afrika wie viele amerikanische Vermittlungsagenturen ein eigenes Transitheim in Addis Abeba betreibt, in das Kinder zur Adoption nach Deutschland aufgenommen werden. Transitheime ausländischer Adoptionsvermittlungsstellen sind problematische Einrichtungen. Einerseits folgen sie ein wenig dem Modell der Bereitschaftspflege, wie sie in Deutschland praktiziert wird. Anderseits tragen sie zum Aufbau einer Nachfragestruktur bei und die Vermittlungsstellen sind schon aus finanziellen Gründen darauf angewiesen, dass neue Kinder ins Heim kommen. Gekoppelt mit sozialen Projekten wie z.B. einem Projekt für Straßenmütter kann sehr schnell eine Beziehung entstehen, bei der Straßenmütter ihre Kinder ins Heim abgeben, um selbst wieder Unterkunft und Arbeit zu bekommen. Es geht jedoch bei internationalen Adoptionen darum, keine zusätzlichen Anreize zur Abgabe von Kindern zu schaffen.

Sind wir also auf dem Weg in amerikanische Verhältnisse? Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte macht das eher unwahrscheinlich. Zum einen wurden Vermittlungsstellen mit umstrittenen Geschäftspraktiken wie ICCO und Pro Infante die Lizenzen entzogen. Zum anderen tragen die zentralen Behörden wie zum Beispiel die Zentralen Behörde für Auslandsadoptionen der norddeutschen Bundesländer (GZA) und das Bundesamt für Auslandsadoptionen immer wieder kritische Beiträge zur Auslandsadoption in die Diskussion. Das gilt ebenso für Terre des Hommes, die jedoch nach eigenen Angaben ihre Vermittlungen nicht aufgrund ethischer Überlegungen eingestellt haben. Und schließlich ist die Rechtsprechung zur Umwandlung ausländischer Adoptionen zunehmend restriktiv und hat den Vermittlungsstellen weitere Prüfpunkte auferlegt.

Der ausgesprochen kritische Leiter der GZA, Rolf Bach, spricht sogar von Adoptionen als einem aussterbenden Rechtsinstitut und misst auch dem Handel mit Adoptivkinder in Deutschland keine größere Bedeutung zu. Im Unterschied zu den USA greifen jedoch deutsche Medien das Thema Kinderhandel immer wieder gerne und skandalisierend nach dem Motto "Suche Kind, zahle bar" auf, während tatsächlich der "Handel" mit Kindern im Sinne von Geldzahlungen für die Abgabe von Kindern oder gar Kinderdiebstahl nur in den allerseltensten Fällen ein Thema ist. Auch in dem Bericht, den ACT über die Vermittlung 19 äthiopischer Kinder durch die niederländische Vermittlungsstelle Wereldkinderen wurden keine Anzeichen für Geldzahlungen an Angehörige gefunden. Das soll die Probleme mit gefälschten oder fehlerhaften Herkunftspapieren, den fehlenden Alternativen zur Abgabe der Kinder und die oftmals mangelnde Aufklärung äthiopischer Angehöriger über den endgültigen Charakter der Adoption nicht verharmlosen und macht die Diskussion über ethische Auslandsadoptionen nicht weniger relevant.

Letztlich leben die USA und Deutschland in zwei sehr unterschiedlichen Adoptionswelten. In den USA wird öffentlich für Adoptionen missioniert; in Deutschland suggerieren die Medien regelmäßig und oftmals mit behördlicher Unterstützung, dass Auslandsadoptionen an Kinderhandel grenzen.

* Die Zahlen beinhalten nicht Privatadoptionen. Es war uns nicht möglich, eine fundierte Angabe über die tatsächliche Praxis der Privatadoption zu finden. 

Mittwoch, 23. November 2011

Finding Fernanda - Die Bedeutung Guatemalas für Adoptionen aus Äthiopien

Anfang November erschien das Buch Finding Fernanda von Erin Siegel. Es beschreibt das Schicksal einer Mutter aus Guatemala, Mildred Alvarado, deren Kinder von der Mafia entführt und in die USA adoptiert wurden. Gegen allen Erwartungen schaffte es die Mutter ihre Kinder wiederzufinden.

Das Buch öffnet die Augen für die dunkle Seite internationaler Adoptionen, die Verknüpfung von Verbrechen, Korruption, missionarischer Ignoranz, Kollaboration der Behörden und Hilflosigkeit der Adoptiveltern.

Erin Siegel ist Journalistin und hat in Guatemala die Betroffenen, die NGO Fundación Sobrevivientes, Mütter und Pflegemütter und Mitarbeiter von Behörden interviewt. In den USA sprach sie mit den Adoptiveltern von Fernanda, anderen Adoptiveltern sowie Mitarbeitern der Vermittlungsstelle  Celebrate Children International (CCI) einschliesslich des Ehemanns der Direktorin Sue Hedberg. Die Geschichte beschreibt das Schicksal einer einzelnen Mutter und steht dennoch für ein größeres Bild der Verknüpfung von Auslandsadoptionen mit Kinderhandel über fragwürdige Vermittlungsstellen.

Die Vermittlungsstelle CCI ist nicht nach der Haager Konvention akkreditiert operiert jedoch weiterhin in Ländern, die die Haager Konvention nicht unterzeichnet haben unter anderem in Äthiopien. Bis 2006 vermittelten sie im Schnitt 20 Kinder monatlich aus Guatemala. Heute sind sie die fünftgrößte Vermittlungsstelle in Äthiopien mit 250 Adoptionen im Jahr. Frau Siegel schreibt: “Since 2005, nineteen complaints have been made about the adoption agency. The Department of Children and Families has not substantiated any of them.”

In einem Interview beschreibt Erin Siegel das Zusammenspiel von Korruption und schwacher Regulierung. Während alle Verwaltungsstrukturen in Guatemala von Korruption beherrscht sind, sieht die amerikanische Botschaft es nicht als ihre Aufgabe an, den Prozess zu kontrollieren sondern amerikanische Interessen zu vertreten. Daher verhindert sie die Vermittlung gestohlener Kinder nicht sondern spielt eine ermöglichende und vermittelnde Rolle. Ähnliches geschieht gerade in Äthiopien. 

Montag, 21. November 2011

Die USA - the elephant in the room

"The elephant in the room" ist im Englischen ein unausgesprochenes aber gleichsam dominantes Thema einer Diskussion, dessen Thematisierung heikel und unangenehm ist. In der Diskussion über Ethik in Auslandsadoptionen sind die USA ein solches Thema: sie definieren aufgrund ihrer zahlenmäßigen Dominanz das Geschehen und setzen damit Standards, an denen andere kaum vorbei kommen. Gleichzeitig sind diese Standards jedoch gleich mehrfach ethisch fragwürdig und problematisch. Die Folge davon ist ein polarisierter Diskurs über Adoptionen in den USA sowie eine umsatzorientierte Adoptionsindustrie, die von einem Herkunftsland zum nächsten zieht.

Die USA sind ein ausgesprochen adoptionsfreudiges Land. Nicht nur Hollywoodgrößen adoptieren regelmäßig Kinder sondern auch in der Bevölkerung sind Adoptionen weit verbreitet. Jährlich werden ca. 100.000 Kinder in den USA adoptiert, davon weniger als 15% aus dem Ausland. Es werden sowohl Kinder aus dem Ausland adoptiert als auch ins Ausland vermittelt. Schwangere können im Vorfeld die Adoption ihrer Kinder arrangieren und sich die potentiellen Adoptiveltern aussuchen. Private Adoptionen über Rechtsanwälte sind möglich, die ihre eigenen Sozialarbeiter für Sozialberichte beschäftigen und damit eine staatliche Kontrolle komplett umgehen. Die Kosten für Adoptionen reflektieren das Angebot und Nachfrage: die Adoption eines afro-amerikanischen Jungen ist signifikant billiger als die Adoption eines hellhäutigen Mädchens. Der Adoptionsdiskurs wird von evangelikalen Kirchen dominiert, die im Geiste der christlichen Familienideologie die Abgabe von Babies zur Adoption als lobenswerte Entscheidung junger Frauen betrachtet. Gleichzeitig gibt es in einzelnen Bundesstaaten nach wie vor die Inkognitoadoption und für diese Adoptierte kein Recht auf die Kenntnis der eigenen Abstammung, obwohl erwachsene Adoptierte vehement für dieses Recht eintreten.

Die Mischung aus religiösem Eifer, schwachen individuellen Rechten Adoptierter und einer vorbehaltlosen Freude daran Familien neu zusammenzusetzen, führt auch in den USA zu heftiger Kritik. Zahllose Blogs erwachsener Adoptierter und abgebener Mütter ereifern sich tagtäglich über das Unrecht, das ihnen widerfuhr und ziehen gegen die Adoptionsindustrie und deren Interessen mit recht geringem Erfolg zu Felde.

Warum ist dieser Umgang für die Diskussion über Ethik in Auslandsadoptionen relevant? Auch in den USA übersteigt die Nachfrage nach Kindern das Angebot. Insbesondere ist es für viele Amerikaner attraktiver, afrikanische, lateinamerikanische und chinesische Kinder zu adoptieren als afro-amerikanische. Kombiniert mit dem ideologischen Gerüst, durch Adoptionen Kinder in der Dritten Welt vor dem sicheren Tod oder zumindest einem Leben auf der Straße zu retten, ziehen Adoptionsagenturen in arme Länder und bauen dort ihre Vermittlungsstrukturen auf. Einmal dort angekommen belassen sie es jedoch nicht bei der Vermittlung tatsächlich elternloser Kinder sondern übertragen ihren Ansatz der bereits vorstrukturierten Übergabe von Babies von jungen unverheirateten Müttern an amerikanische Familien in diese Länder, ohne es mit den tatsächlichen Verhältnissen zu genau zu nehmen. Die amerikanischen Botschaften sind zumindest implizit in diese Praktiken verwickelt, da sie bereit sind, selbst grob fehlerhafte Dokumente durch weitere Nachforschungen zu korrigieren.

Eine solche Welle ist in den letzten zehn Jahren auch über Äthiopien hinweg gerollt. Dort sind die Adoptionen in die USA von 42 im Jahr 1999 auf über 2500 im Jahr 2010 explodiert. Ähnliche Prozesse vollzogen sich zuvor schon in Russland, China und Guatemala. Diese drei Länder haben jedoch mittlerweile auf die amerikanische Adoptionsindustrie reagiert. Insgesamt führte dies zu einem Rückgang internationaler Adoptionen um 60% in den letzten fünf Jahren, da zunehmend die Senderländer die Möglichkeit zur Adoption einschränkten. Äthiopien hat in diesem Jahr genau den gleichen Weg beschritten, als es die Zahl der Adoptionen beschnitt. Im Jahr 2011 gibt es daher lediglich 1727 Adoptionen aus Äthiopien in die USA.

Die Reduktion der Adoptionszahlen in Äthiopien war ein richtiger und wichtiger Schritt, um Verwaltungsstrukturen nicht weiter zu überlasten und ein rechtmäßiges Adoptionsverfahren zumindest theoretisch zu ermöglichen. Langfristig wichtiger ist es jedoch, den in den USA herrschenden Adoptionsdiskurs in neue Bahnen zu lenken. Internationale Adoptionen ohne Rücksicht auf die Rechte von Eltern und Kindern sind kein Menschenrecht in einer neuen Weltgesellschaft, auch wenn es hochangesehene Wissenschaftler in Harvard so proklamieren. Nur im Kontext ethischer Verfahren, die auf den Prinzipien der Notwendigkeit, Wahrhaftigkeit und Legalität beruhen, machen internationale Adoptionen überhaupt Sinn. Diese Argumente und Normen müssen allen internationalen Verträgen zur Adoption und Adoptionspraktiken unterliegen.

Aus deutscher Perspektive ist es natürlich fast unmöglich, den Diskurs in Amerika zu beeinflussen. Auch läuft hier nicht alles optimal. Allerdings gibt es weder den religiösen Eifer noch eine offene Beschaffungsmentalität. Dafür geht man in den USA transparenter mit den Problemen um. Letztlich kann Europa/Deutschland nur mit gutem Beispiel vorangehen, seine eigenen Fehler korrigieren und sich von den amerikanischen Praktiken deutlich distanzieren.

Samstag, 19. November 2011

Vertraute Fremdheit - Buchtipp

Die Stimmen von Adoptierten sind im Adoptionsgeschehen meistens unterbelichtet. Die wenigsten Kinder werden gefragt, ob sie adoptiert werden wollen und viele erwachsene Adoptierte glauben, dass der Adoptionsprozess nicht in ihrem Interesse erfolgt. Vielmehr sind es beteiligte Erwachsene, die das Geschehen bestimmen: Familienangehörige, die junge Frauen zur Abgabe ihrer Kinder drängen; Adoptiveltern, die sich gerne zur Verfügung stellen; Jugendämter, die eine Lösung für instabilie Familienkonstellationen suchen.

Eric Breitinger hat als erwachsener Adoptierter die Stimmen von anderen Adoptierten aufgeschrieben und sie mit viel Sachverstand mit Forschungsergebnissen und Informationen zum Thema Adoption kombiniert. Das Buch enthält 16 Porträts schweizer und deutscher erwachsener Adoptierter in fast allen Altersgruppen. Die Lebensgeschichten drehen sich um Wurzelsuche, das Verhältnis zu den Adoptiveltern und den leiblichen Familien, die psychische und mentale Belastung durch die Unwissenheit der Herkunft und des Verlassenwerdens. Dazu gibt es sachkundige Kapitel zu Babyklappen, Samenspenden, Rechtsfragen und Auslandsadoptionen.

Als roter Faden zieht sich durch das Buch das Plädoyer zur offenen Adoption. Breitinger spricht sich sowohl gegen Inkognitoadoptionen, anonyme Samenspenden als auch Babyklappen aus. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Herkunft und der offene Umgang mit der ersten Familie sind zentrale Faktoren für eine gelungene Adoption.

Vertraute Fremdheit: Adoptierte erzählen

Damit halten Adoptiveltern den Schlüssel für Erfolg in der Hand: Sind sie stabil, offen und entspannt gegenüber der Bedeutung der leiblichen Familie, sind sie von Beginn an ehrlich und konstruktiv im Umgang mit der ersten Familie und sehen sie in ihrem adoptierten Kind nicht den Ersatz für ein leibliches Kind, sind wesentliche Weichen schon gestellt.

Deutlich wird dies auch durch die unterschiedlichen Generationen, die im Buch porträtiert werden. Die Adoptiveltern der 84jährigen Nelly Bünzli haben sie mit strikten Regeln und harter Arbeit traktiert, da sie dachten, dass Mädchen würde ansonsten auf der Straße landen. Der 25jährige Jonas Fuchs peruanischer Herkunft ist Adoptivsohn einer wiederum aus Hongkong nach Deutschland adoptierten Frau, die in einem offenen und liberalen Haushalt einer Pfarrersfamilie groß wurde. Er hat regen Kontakt mit seiner leiblichen Familie. Die deutlichen Unterschiede zwischen den Generationen zeigen, dass Fortschritte im Umgang mit Adoptionen erzielt wurden und die jüngere Generationen der Adoptierten deutlich bessere Chancen zur Wurzelsuche und positiven Kontaktaufnahme haben.

Allerding werden diese Fortschritte gleichzeitig wieder durch neue Formen der Anonymität (Samenspende, Leihmutterschaft und Babyklappen) gefährdet. Sie sind zudem noch nicht überall gleichermaßen verbreitet und finden leider auch noch keine Entsprechung in den rechtlichen Regelungen. 
  

Dienstag, 15. November 2011

Stimmen aus Äthiopien

Addis Journal is one of the leading blogs coming from the city of Addis Ababa, Ethiopia.It focuses on arts, books, films, politics, and music from Ethiopia and beyond. It chronicles the emergence and growth of Ethiopian painting, drawing, sculpture and decorative arts.

Quelle: Addis Journal.


Habesha Hub is a community website determined to bring you all the fun stuff from the East Africa. We bring you all the fun stuff. Videos, Audio and Photos. We have already accumulated over 7,000 Amharic, Tigrigna and Oromo songs. We have close to a 1,000 music videos on the website.


Quelle: Habesha.

Dienstag, 8. November 2011

Fallende Bäume

""Ein Baum, der fällt, macht mehr Krach, als ein Wald der wächst!"
So lautet eine alte tibetanische Weisheit. Unsere Wahrnehmung wird von "fallenden Bäumen" dominiert- von dem, was gewaltig ist, was schnell passiert, was uns bedroht.
Unsere Geschichte ist voller "fallender Bäume": Krieg und Zerstörung....

Doch dann wundern wir uns, dass es trotz all dieser Zerstörung immer noch Leben und Vielfalt auf dieser Erde gibt. Wir erkennen daraus, dass es der "wachsende Wald" ist, auf den es letztlich ankommt. Er ist es, der das Leben fortführt- langsam und vielfältig, ganz unauffällig und doch beständig.

Lasst uns nicht im Getöse der Zerstörung das langsame Entfalten des Neuen übersehen!"

Aus: Hans-Peter Dürr, "Warum es ums Ganze geht"
Hans-Peter Dürr, geb. 1929, ist Träger des Alternativen Nobelpreises und war Mitglied des Club of Rome

Warum ich Hans-Peter Dürr zitiere?

Weil ich mich frage, wo die Stimmen der Beteiligten: Vermittlungsorganisationen, Herkunftsfamilien und der Adoptivfamilien sind, die diesen blog lesen.

Montag, 7. November 2011

Leider gewonnen

Wie wir der Berliner Morgenpost entnehmen konnten, hat der taz-Artikel von Greta Taubert und Benjamin Reuter (taz)  "Der verlorene Sohn" tatsächlich den Medienpreis der Kindernothilfe in der Kategorie Print gewonnen. Die Morgenpost nannte den Artikel "einfühlsam". Wenigstens haben sich die Gäste bei der Preisverleihung gut amüsiert.

Sonntag, 6. November 2011

Das Leid gestohlener Kinder

Die Zeitung Die Welt berichtet über die Geschichte von Anisha Mörtl, die im Alter von elf Monaten nach Deutschland adoptiert wurde, obwohl ihre Mutter sie nie zur Adoption freigegeben hatte

Anisha hatte eine problematische Beziehung zu ihrer Adoptivmutter, die sie in ihrer Wurzelsuche nicht unterstützte. Sie reiste dennoch mit 13 Jahren nach Indien, um nach ihrer Mutter zu suchen. Zwei Jahre später wurde sie von einer indischen Bürgerrechtlerin gefunden. Die Geschichte einer unrechtmäßigen Adoption hat sie jetzt in dem Buch "Lotostochter" aufgeschrieben.
 
 
Anisha lehnt heute Auslandsadoptionen grundsätzlich ab. "Ich habe so viele Adoptierte kennengelernt und in jedem Fall war es für die Kinder sehr schwierig. Die einen haben jahrelang versucht ihre leiblichen Eltern zu finden und waren verzweifelt, wenn es nicht geklappt hat. Die anderen wollten nichts mit ihrer Vergangenheit zu tun haben. Das ist auch unnatürlich. Viele haben ihr Leben lang starke Schuldgefühle ihrer leiblichen Familie gegenüber, fechten einen nicht enden wollenden inneren Kampf aus und haben Schwierigkeiten, sich auf eine Beziehung einzulassen aus Angst, fallen gelassen zu werden."

Mingi-Kinder - Rituelle Kindstötungen in Südäthiopien

CNN berichtet über Kindstötungen in Südäthiopien als Teil abergläubischer Rituale. Ein Mingi-Kind leidet unter einem Fluch, der Unglück über das ganze Dorf bringen kann. Man erkennt Mingi-Kinder daran, dass sie Behinderungen haben, unehelich geboren werden oder nichtige ungewöhnliche Merkmale aufweisen. Zum Beispiel weil ihre Zähne erst im Oberkiefer wachsen und danach erst im Unterkiefer.

Um das Unglück der Mingi-Kinder abzuwehren, entscheiden sich die Dorfältesten zur Tötung der Kinder. Sie werden am Omo-Fluss ausgesetzt oder im Fluss ertränkt. Heute werden rituelle Kindstötungen zwar von der Regionalregierung verurteilt, aber sie finden noch immer statt. Die Stämme Kara, Banna und Hamar am Ufer des Omo Fluss in Südäthiopien sind für die Ächtung und Tötung von Mingi-Kindern bekannt.

Ein Gruppe äthiopischer Christen hat für Mingi-Kinder ein Kinderheim aufgebaut. Mit Hilfe amerikanischer Spender sollen dort die Kinder überleben können. Zwischen dem Heimleiter und den amerikanischen Helfern kam es jedoch zum Streit, da der Heimleiter Adoptionen von Mingi-Kindern ablehnt. Die Kinder sollen die Möglichkeit haben, zu ihren Eltern zurückzukehren, führt er aus. Die Amerikaner beschuldigen ihn, Gelder unterschlagen zu haben.

Am Ende des Artikels kommt eine Pflegemutter zu Wort, die zwei Mingi-Kinder bei sich aufgenommen hat. Sie betet, dass die Banna erkennen, dass ihre Pflegekinder kein Unglück bringen und beklagt: "there is a long way to go to change the beliefs we have had for so long."

Sonntag, 30. Oktober 2011

Liberales Abtreibungsrecht in Äthiopien

Die Financial Times Deutschland berichtet über die Liberalisierung des Abtreibungsrechts in Äthiopien. Damit werden Geburtenraten gedrosselt und das Leben der Mütter geschützt. Während sich die Bevölkerung in den letzten 50 Jahren vervierfachte, ist die durchschnittliche Kinderzahl Äthiopiens in Afrika nach Südafrika, Gabun und Dschibuti mittlerweile die niedrigste. Von 5,5 im Jahr 2000 fiel sie auf 4,8 in diesem Jahr - in den Städten sogar von 3,2 auf nur 2,6. Der Anteil der äthiopischen Frauen, die Verhütungsmittel nutzen, hat sich seit 2005 verdoppelt.

Zumindest theoretisch sollte sich durch eine zurückgehende Geburtenrate und bessere Geburtenkontrolle auch der Anteil der verlassenen und verwaisten Kinder reduzieren.

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Enabling Violation - Das Dilemma Internationaler Adoptionen

In der New York Times erschien ein nachdenklicher Beitrag über das Dilemma Internationaler Adoption zwischen Kindeswohl und Verlust. Die Autorin benutzt den im Deutschen sperrigen Begriff der "ermöglichenden Verletzung" (enabling violation), um die zwei Seiten der Adoption zu charakterisieren. Die Ermöglichung in ihrem Fall war die Adoption eines schwer kranken Mädchens aus Paraguay. Die dem voran gegangene Verletzung bezieht sich nicht nur auf den Verlust der ersten Familie, seiner kulturellen und ethnischen Wurzeln sondern auch auf die politischen Rahmenbedingungen in Paraguay, das zu dem Zeitpunkt autoritär und korrupt regiert wurde.

”I enabled my daughter’s life by adopting her, but in another sense it was a violation for my daughter, who was uprooted from her home, her language and her country of birth. I may have violated the people of Paraguay by participating in an adoption process that the vast majority of Paraguayans deeply disapproved of and ultimately sought to end. I have of course tried to make sure that my daughter always knew the story, not only of her adoption, but of what I could gather of her birth mother’s decision. But I will never feel at ease until my daughter and I visit her birth mother and hear it directly from her.

There is no easy way in which the adopted child’s imaginary domain can be facilitated, although dual citizenship seems to be a minimum guarantee to adopted children, so that they can return to their country of birth if they so desire. Ultimately, international adoption is profoundly implicated in relations of inequality that cannot be addressed on the basis of one family alone. Perhaps, then, if we at least recognize international adoption as an enabling violation, we can avoid the worst kinds of self-righteous humanitarianism, and find ourselves pointed towards a struggle for a more just world."   

Dienstag, 18. Oktober 2011

Weitere Berichte über Schließungen von äthiopischen Kinderheimen

Das amerikanische Außenministerium bestätigt und aktualisiert Berichte über Schließungen von Kinderheimen in Südäthiopien. Diese beruhen auf dem Entzug von Lizenzen durch äthiopische Behörden. Die Kinder in den Heimen wurden bereits in andere Institutionen transferiert. Die betroffenen Kinderheime sind:

  • SOS Infants Ethiopia (Arbaminch, Dila and Awassa branches)
  • Gelgella Integrated Orphans (Tercha and Durame branches)
  • Bethzatha Children's Home Association (Sodo, Hosaena, Dila, Haidya, Durame, and Hawassa branches)
  • Ethio Vision Development and Charities (Dila and Hawassa branches)
  • Special Mission for Community Based Development (Hosaina branch)
  • Enat Alem Orphanage (Awassa branch)
  • Initiative Ethiopia Child and Family Support (Hawassa branch)
  • Resurrection Orphanage (Hosaina branch)
  • Musie Children's Home Association (Hadiya, Hosaina, Dila, and Kenbata branches)
  • Organization for Gold Age (Kucha, Dila, Hawassa branches)
  • Hidota Children's Home Association (Soto branch)
  • Biruh Alem Lehisanat, Lenatochina Aregawiyan (Hosaina branch)

Dienstag, 11. Oktober 2011

Ich bin kein verlorenes Kind - Dokumentation des WDR vom 6.10.2011

Der WDR hat am 6.10. eine sehenswerte Dokumentation ausgestrahlt, die auch als podcast auf der Webseite zu finden ist.

Louisa ist als Kleinkind aus Kiew adoptiert worden und wächst mit drei Brüdern in einer Berliner Familie auf. Louisas leibliche Eltern kommen aus Madagaskar. Die Eltern haben in der Ukraine und Usbekistan in den frühen 1990er Jahren studiert und sich dort kennengelernt. Die Beziehung ging aufgrund der räumlichen Trennung schnell in die Brüche. Die Mutter hat dem Vater nichts von dem Kind gesagt und Louisa unmittelbar nach der Geburt zur Adoption freigegeben. Bei der Freigabe hat sie angegeben, dass der Vater verstorben sei.

Auf Louisas Initiative konnten beide Eltern in Madagaskar gefunden werden. Der Vater ist Professor und ihre Mutter arbeitet an einem Gymnasium als Lehrerin. Das Fernsehen begleitet Louisa mit ihrer Berliner Adoptivfamilie in das Land ihrer afrikanischen Eltern und Großeltern. Es gibt ein ergreifendes Willkommen durch die Großmutter väterlicherseits, während die Eltern nur schwer den Kontakt zu ihrem Kind finden.  

Montag, 10. Oktober 2011

Andauernde unethische Praktiken amerikanischer Vermittlungsstellen

Selbst nachdem die äthiopische Regierung die Zahlen der Adoptionsfälle drastisch reduziert hat, gibt es nur wenig Neues über Verbesserungen zu berichten. Das amerikanische Außenministerium hat erneut eine Warnung an Adoptionsbewerber auf seine Webseite gesetzt. Danach warnt das Außenministerium eindringlich davor, unzureichende Dokumente bei der Botschaft einzureichen. Adoptiveltern müssen mittels einer I-600 Petition bei der Einwanderungsbehörde nachweisen, dass das Kind der amerikanischen Definition von 'Waise" entspricht und damit adoptierbar ist. Das Außenministerium führt dazu aus:

"Approximately 80% of I-600 petitions submitted to the U.S. Embassy in Addis Ababa in recent months were incomplete, contained inconsistencies or errors, or did not contain sufficient evidence to document the child as an orphan under U.S. law. In addition, the Embassy continues to see cases which involve abandoned children but do not include sufficient evidence to document the abandonment and/or evidence of appropriate efforts to locate a child’s birth family. The Embassy also has received evidence of unethical recruitment of children from birth relatives and cases involving known birth parents from whom parental rights have not been severed by the Ethiopian courts. In these cases, consular officers in Addis will need to take additional measures to confirm that a child meets the legal definition of orphan, which could delay processing by several months."

("Ungefähr 80% der I-600 Petitionen, die bei der amerikanischen Botschaft in Addis Abeba eingereicht wurden, waren entweder unvollständig, enthielten inkonsistente Informationen oder Fehler, oder unzureichende Information, um ein Kind als Waise nach amerikanischem Recht zu definieren. Zudem gibt es weiterhin Fälle, die Kinder als 'verlassen' klassifizieren, ohne dies nachzuweisen oder die notwendigen Anstrengungen nachweisen, die Eltern des Kindes zu finden. Die Botschaft hat Nachweis über unethische Praktiken des Rekrutierens von Kindern von Verwandten sowie Fälle, bei denen die Eltern ihre Elternrechte nicht aufgegeben haben, bzw. die äthiopischen Gerichte dies nicht festgestellt hat. In diesen Fällen werden die Konsularbeamte in Addis zusätzliche Maßnahmen ergreifen, dass ein Kind die legale Definition eines Waisen entspricht, was den Prozess um mehrere Monate verzögern kann.")

Die Reaktion des Außenministerium auf nachgewiesene unethische Praktiken ist erstaunlich. Anstatt die Anträge mit fehlerhaften, unethischen und nicht legalen Verfahren abzulehnen, ergreifen die Beamten zusätzliche Maßnahmen, um ein fehlerhaftes Verfahren nachträglich zu korrigieren. Das ist vielleicht im Sinne der zukünftigen Adoptiveltern, aber nicht im Sinne eines besseren Verfahrens. Die hohe Zahl von 80% fehlerhafter Anträgen wird nicht reduziert werden, wenn die Botschaft anbietet, durch weitere Maßnahmen das Spiel falscher Dokumentationen weiter mitzuspielen.   

Freitag, 7. Oktober 2011

Der Tod eines äthiopischen Adoptivkinds

In den USA erregt derzeit ein Fall besondere Aufmerksamkeit. Es ist der Todesfall eines 13-jährigen äthiopischen Mädchens, das 2008 mit seinem Bruder von einer amerikanischen Familie adoptiert wurde. Die Familie lebt abgeschottet und streng religiös. Die Kinder gingen nicht zur Schule. Die Eltern folgten strengen religiösen Prinzipien, die in dem Buch "How to Train Up a Child" festgehalten sind. Dazu gehören körperliche Züchtigung und das Vorenthalten von Nahrung.

Hana Williams starb am 12. Mai, nachdem sie bewusstlos und unterkühlt um Mitternacht draußen aufgefunden wurde. Die Ermittler stellten fest, dass sie Schläge und Hunger litt, dass sie die Nächte außerhalb des Hauses verbringen musste und seit der Adoption massiv an Gewicht verlor. Ihr 10-jähriger Bruder musste Ähnliches erdulden.

Die Eltern sind nun des Totschlags und Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Wenn sie verurteilt werden, müssen sie mit einer Gefängnisstrafe zwischen 20 und 29 Jahren rechnen. Ob die Vermittlungsstelle zur Verantwortung gezogen wird, ist nicht bekannt. Es ist jedoch unwahrscheinlich. Trägt sie eine Verantwortung? Selbstverständlich!

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Als Dolly Parton meine Mutter war

Liebe Kinofans, Internet-Nutzerinnen und Nutzer,

in der kommenden Ausgabe der PFAD Fachzeitschrift wird ein neuer amerikanischer Spielfilm (nicht Hollywood!) besprochen, der in Deutschland bisher nur auf dem LUCAS Kinderfilmfestival in Frankfurt/Main und auf dem Hamburger Filmfestival gezeigt wurde und dort viel Anklang fand.
Er heißt: "Als Dolly Parton meine Mutter war" - im Originial: "The Year Dolly Parton was my Mom", die Autorin heißt Tara Johns. Der Film ist für Erwachsene schon wegen der Gesprächsimpulse, die er enthält, bereichernd, und ist für Kinder ab 8 Jahren geeignet, weil er sich auf witzige, aber nicht oberflächliche Weise mit der Problematik der nicht offenen Adoption, der Wurzelsuche und der Kinderfantasie, eigentlich von viel besseren Eltern abzustammen, beschäftigt.

Hier kann man etwas Information bekommen:
http://www.lucas-filmfestival.de/2011/07/als-dolly-parton-meine-mutter-war/
http://www.lucas-filmfestival.de/2011/09/exklusiv-tara-johns-im-gespraech/

Die Autorin versucht nun, den Film international in die Kinos zu bekommen, hat aber wohl ein sehr schmales Budget für Werbung. Sie bittet alle Interessierten, über ihren Blog den Film für die eigene Heimatstadt oder nächste Großstadt anzufordern. Wenn sie genügend Interessenten nachweisen kann, wird es eher möglich sein, auch deutsche Kinoveranstalter davon zu überzeugen.


"The one very proactive thing you could do - is "demand it". There is a link on my blog site (http://www.theyeardollypartonwasmymom.blogspot.com/) where you - and as many of your friends and adoptee association members as possible - can click on the Demand It button and if enough people request it in your city and region, we may get a distributor!"

Also auf den Link klicken und ein Stückchen runterscrollen - auf der rechten Seite in dem rosa Streifen ist ein gelber Link mit Aufschrift: Demand it! Dort geht es los. Ich habe nur das Nötigste ausgefüllt und anderes mit "Skip" übersprungen.

Liebe Kinofans, wenn Sie Zeit finden und "den Nerv" für so etwas haben, bitte mitmachen und diese Mail weiterleiten!

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Ethik und Ethik

Es gibt zwei sehr unterschiedliche Ethikdiskurse über Adoptionen. Der erste thematisiert die Bedingungen unter denen Adoptionen stattfinden sollen. Er definiert die Voraussetzungen für Adoptionen:
  • Notwendigkeit (kein Kind soll ohne Not von seinen Eltern getrennt werden),
  • Wahrhaftigkeit (jedes Kind hat Anspruch auf die Wahrheit seiner Abstammung) und
  • Legalität (das Verfahren der Adoption muss legal und ohne Zwang und Korruption vollzogen werden).
Nur wenn alle drei Voraussetzungen vorliegen, kann von einer ethischen Adoption gesprochen werden. Die Diskussion dreht sich dann im Wesentlichen darum, wie diese Voraussetzungen auch in Ländern mit schwachen Verwaltungsstrukturen, Armut und Korruption erfüllt werden können und was passieren sollte, wenn dies nicht geschieht. Um diese Fragen geht es im Wesentlichen in diesem Blog.

Die zweite Diskussion, die auch unter dem Titel der Ethik in Adoptionen geführt wird, dreht sich um das Verhältnis von erster und zweiter Familie und der Beziehung zum Kind. Sie wird in erster Linie von erwachsenen Adoptierten und ersten Müttern geführt, die die Sprache und Haltung von solchen Adoptiveltern heftig kritisieren, die Adoption als "Rettung von Kindern", als "Recht kinderloser Paare" oder als "Gottes Auftrag" darstellen. Dahinter verbirgt sich Respektlosigkeit und mangelndes Einfühlungsvermögen für die Situation der Kinder und Eltern, die voneinander getrennt wurden.

Diese Diskussion ist fast unmöglich zu führen, da sie von tiefen Kränkungen genährt und angetrieben wird. Sie ist polarisiert und fast ausschliesslich mit Schuldzuweisungen besetzt. Aus der Perspektive von Adoptiveltern kann man kaum darauf reagieren, da die für diese Fragen sensibilisierten Adoptiveltern nicht der Gegenstand der Kritik sind. Es gibt auch keine Lösung - außer Adoptiveltern entschuldigen sich stellvertretend für diejenigen, an deren Adresse die Kritik gerichtet ist. Damit ist jedoch auch niemandem wirklich geholfen, da sich die Einstellung der Anderen nicht ändert.

Die Vermischung beider Diskurse macht eine vernünftige Diskussion sehr schwierig. Oftmals befeuern gekränkte/traumatisierte Adoptierte einen Antiadoptionsdiskurs, der alles verteufelt, was eine Adoption rechtfertigen könnte. Das ist ihr gutes Recht, bringt aber die Debatte nicht weiter. Es geht daher in der Diskussion darum, Emotionen von Argumenten zu trennen; so schwer das den Einzelnen fallen mag. Nur dann kommen wir Lösungen näher.

Donnerstag, 29. September 2011

Die Konstruktion von Waisen

Ein neuer Beitrag auf dem Blog Ethiopian Adoption Truth beschreibt die Herkunft eines aus Äthiopien adoptierten Kindes folgendermaßen:

"Stellt euch ein junges unverheiratetes Mädchen vor, das gerade ein Kind zur Welt gebracht hat. Der Vater schämt sich für seine Tochter und ist besorgt darüber, was die Leute im Dorf dazu sagen. So beschämt und besorgt, dass er das kleine Mädchen seiner Tochter eines Morgens mitnimmt und später alleine wieder nach Hause kommt. Er gesteht seiner Tochter später, dass er das Baby in Heim gebracht hat, um sie zur Adoption freizugeben."

Der Großvater hat im Gerichtsprozess angegeben, dass die Eltern des Kindes verstorben sind und er sich nicht um das Baby kümmern kann. Im weiteren Verlauf haben die Adoptiveltern dem Kind schonend beigebracht, dass ihre Mutter tot sei, nur um später zu erfahren, dass sie quicklebendig weiter in der Familie des Großvaters lebt.

In dem Blog fragen die Adoptiveltern recht naiv, ob die Vermittlungsstelle mehr hätte unternehmen können, um die Wahrheit herauszufinden. Natürlich konnte sie. Und natürlich hätte sie gemusst. Bei Kindern, die nicht von den Eltern im Heim abgegeben werden sondern von der weiteren Verwandschaft, muss immer überprüft werden, was aus den Eltern geworden ist. Die amerikanischen Vermittlungsstellen haben die Ressourcen dies zu tun und sie haben auch die Pflicht, da die Adoptiveltern vor der Einwanderungsbehörde nachweisen müssen, dass das Kind adoptierbar ist. Ein Besuch der Familie der Großvaters hätte genügt, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Stattdessen haben sie leichtfertig den Angaben des Großvaters geglaubt. Den Schaden tragen jetzt das Kind, die Mutter und die Adoptiveltern.

Montag, 26. September 2011

Offener Brief einer Leserin

Guten Tag

Als erstes möchte ich Ihnen allen einfach von Herzen danken für diese einzigartige wertvolle Website. Sie sprechen sehr viel Wichtiges und auch Kritisches an, ohne dabei Auslandsadoptionen generell in Frage zu stellen.

Leider ist in meinen Augen eine Adoption ins Ausland nach wie vor für viele äthiopische Waisen halt doch noch die beste Lösung. Äthiopien ist aktuell wohl eher nicht in der Lage, seinen vielen Waisen eine gute Zukunft zu bieten. Ziel sollte es eigentlich sein, dass die Kinder auch in ihrem Herkunftsland eine Zukunft haben, so dass  Adoptionen ins Ausland nicht mehr notwendig sind. Damit dies eines Tage so sein könnte, müssten finanz- und wirtschaftsstarke Staaten ihren Teil dazu beitragen. Aber auch wir, Bewohner eines solchen Staates, können unseren Teil dazu beisteuern, indem wir ganz einfach nicht alles stillschweigend hinnehmen. In meinen Augen gehen wir mit der Adoption unserer Kinder auch eine Verpflichtung ein, die es zu erfüllen gilt.

Oftmals werden in der Öffentlichkeit Adoptiveltern viel zu einseitig als grosszügige Retter eines armen Waisenkindes oder als „egoistische Konsumenten“ eines begehrten Exportgutes betrachtet. In beide Schubladen möchte ich mich nicht stecken lassen.

Für seine Verpflichtungen einzustehen, ist in meinen Augen wesentlich einfacher bei einer guten Vernetzung, welche dazu beiträgt, dass man gut informiert ist und einen Gedankenaustausch pflegen kann. In der Praxis finde ich es immer wieder sehr schwierig an gute Infos heranzukommen. Diese sind auf ihrer Website zusammengetragen. Gratulation!!!!

In den vergangenen Jahren haben mein Mann und ich uns intensiv mit dem von uns eingeschlagenen Weg auseinandergesetzt. Dabei kamen u.a. Fragen zu Themen wie Umgang mit Traumatisierung von Adoptivkindern (EEH, Methode der emotionalen ersten Hilfe), Adoptivstillen, aber auch zur Haltung der äthiopischen Diaspora zu Adoptionen aus Äthiopien auf. Mit diesen Fragen fühlten wir uns oftmals alleine gelassen und hatten auch teilweise den Eindruck auf Tabus zu stossen. Des Weiteren fiel uns auf, dass wir an viele wichtige Informationen erst durch Zufall oder intensives Recherchieren kamen.

Da ich über  mehrere Jahre im Sozialbereich mit Jugendlichen gearbeitet habe und  dort wiederholt Adoptivkinder kennen lernen durfte, wurde mir doch sehr bewusst, wie wichtig es ist, gewisse Themen früh anzupacken und nicht erst, wenn die Probleme überhand nehmen. Das fängt in meinen Augen schon bei der eigenen Bewältigung und Trauerarbeit bzgl. der eigenen Kinderlosigkeit an.

Mit freundlichen Grüssen

Samstag, 24. September 2011

Seminarankündigung: Traumatisierte Kinder in Kindergarten und Schule

PFAD bietet am 29. Oktober 2011 in Friedberg (Raum Frankfurt/M.) von 10:00-16:00 ein Fachseminar zum Thema "Traumatisierte Kinder in Kindergarten und Schule" an.
Referentin ist Ulrike Ding, Zentrum für Traumapädagogik, Leiterin Förderzentrum für Erziehungshilfe. Sie arbeitet seit 1978 mit traumatisierten Kindern.
Das eintägige Seminar steht auch nicht-PFAD Mitgliedern offen und kostet 10,- bzw. 20,- € pro TeilnehmerIn.

Eine Kinderbetreuung wird angeboten und ist kostenfrei.

Ansprechpartnerin ist :
PFAD Hochtaunuskreis
Sabine Grollmann-Serve
Am Zellbaum 4
61279 Grävenwiesbach
Tel.: 06086 / 919660
Email: grollmann-serve@t-online.de

Donnerstag, 22. September 2011

Traumatisierung von Adoptivkindern

Viele Adoptivkinder sind traumatisiert. Auf der webseite der Ärztin Bettina Bonus heißt es:

"Alle Adoptiv- und Pflegekinder, die bei keinem leiblichen Elternteil aufwachsen, haben eine Gemeinsamkeit: sie sind zwar im Bauch ihrer leiblichen Mutter aufgewachsen, leben aber heute aus verschiedenen Gründen nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern.

Scheidungskinder verbleiben in der Regel bei dem Elternteil, zu dem sie die tiefere Beziehung haben. Ein Adoptiv- oder Pflegekind aber, das nicht bei einem leiblichen Elternteil aufwächst, wurde zu einem bestimmten Zeitpunkt aus allem herausgerissen, was ihm, aus Sicht des Kindes, Vertrautes, Sicherheit und die Lebensgrundlage bot.

Die Trennung von der leiblichen Mutter vor dem siebten oder - schlimmer noch - vor dem dritten Lebensjahr - kann man sich, aus Sicht des Kindes betrachtet, gar nicht dramatisch genug vorstellen. Für das Kind ist es zunächst wie ein Todesurteil, dass es "ohne Macht" - ohnmächtig - entgegen nehmen muss."

Nicht jede Trennung von der Mutter führt zur Traumatisierung und nicht jede Traumatisierung führt zu Verhaltensauffälligkeiten. Manche Kinder sind überangepasst und "funktionieren" im Alltag wunderbar, während sie ihre Verletzungen im Innern verbergen.

Die Traumatisierung von Adoptivkindern wird im Vermittlungsprozess wenig thematisiert. Während Adoptivbewerber einen Fragebogen ausfüllen müssen, in dem sie angeben, welche Behinderungen für sie akzeptabel sind, gibt es nur wenige Vorbereitungen auf das Leben mit einem traumatisierten, manchmal auch schwerst traumatisierten Kind. Negative Erfahrungsberichte dienen eher der Abschreckung denn der Sensibilisierung für das Thema.

Aus einer ethischen Perspektive muss der Verlust des Kindes in den Mittelpunkt der Vermittlung gestellt werden und systematisch durch Vermittlungsstelle, Jugendamt und Adoptiveltern aufgenommen und verarbeitet werden. Dafür bedarf es neben den entsprechenden Beratungsstellen und Therapieformen auch das Bewusstsein und Kenntnisse der Adoptiveltern über die Folgen von Traumatisierung. Zurzeit fehlt diese Information jedoch weitgehend, da alle Beteiligte auf das Beste (ein nicht oder wenig traumatisiertes Kind) hoffen. Das reicht jedoch nicht aus.

Wir sind gerne bereit, weitere Informationen, Beratungsmöglichkeiten und Seminare wie auch Tipps und (anonyme) Erfahrungsberichte auf unserer webseite zu veröffentlichen.     

Freitag, 16. September 2011

Die Adoptionsindustrie II

Weitere Ausführungen zu den Problemen von Adoptionen in den USA findet sich in einem sehr klaren Beitrag bei Reformtalk unter der Überschrift "Let's Get Real: Adoption Reform".

Aus deutscher Perspektive ist insbesondere die Verquickung von Adoptionen und humanitärer Hilfe ein wichtiger Hinweis, da dies die deutschen Vermittlungsstellen ebenso betrifft. Sie ist ein ernstes Problem und Einfallstor für Korruption und finanzieller Abhängigkeit von Kinderhilfsprojekten und Adoptionen.

Mittwoch, 14. September 2011

Die Adoptionsindustrie

Ist Adoption und insbesondere Internationale Adoption eine Industrie, in der es um Umsatz, Profite und zufriedene Kunden geht? Aus der Perspektive der Familien gewiss nicht, aber im Hinblick auf Vermittlungsstellen und den Vermittlungsprozess in den USA gibt es einige beunruhigende Fakten:

Erstens kann man in dem Adoptionssektor in den USA gut verdienen. Eine Aufstellung der Einkommen der Direktoren/Präsidenten von privaten amerikanischen Vermittlungsstellen  aus dem Jahr 2008 weist Gehälter bis zu über 380.000$ aus. Das ist weit entfernt von der Vorstellung einer kleinen Wohlfahrtsorganisation.

Zweitens sind die Gebühren, die amerikanische Familien für den Adoptionsprozess berappen müssen im Fall von Äthiopien ca. doppelt so hoch als in Deutschland. Dies führt zu der Frage, welche Kosten legitim sind und welche nicht.

Drittens unterliegen die Adoptionsverträge in den USA (und zuweilen wohl auch in Deutschland) einer Geheimhaltungspflicht. Sobald Einzelheiten aus den Verträgen bekannt werden, werden diese von den Vermittlungsstellen gekündigt. Eltern werden verklagt und bei Beschwerden über Geschäftspraktiken durch Anwälte zum Schweigen gebracht.

Viertens gibt es in den USA umfangreiche Möglichkeiten zur Steuerabschreibung von Adoptionskosten. Dies heizt den Kostenaspekt weiter an und führt bei geschäftstüchtigen Vermittlungsagenturen zu Kostenerhöhungen.

Letztlich gibt es einen ideologischen Überbau durch evangelikale Christen, die Adoptionen nicht nur als letztes Mittel für elternlose Kinder ansehen sondern auch als Missionierungsinstrument.

Alle diese Faktoren führen dazu, dass hohe Vermittlungszahlen zu höheren Einkommen führen und Vermittlungsstellen ein aktives Interesse an dem Nachschub von Kindern haben. Damit unterbleibt die Prüfung von Alternativen eher und Kinder werden adoptiert, bei denen es nicht nötig gewesen wäre. Ein Dienst am Menschen, der zugleich Gewinne (oder hohe Gehälter oder Steuerbegünstigungen) abwirft, ist immer problematisch. Er kann nur funktionieren, wenn es entweder einen starken Verhaltenskodex (wie in der Medizin) oder eine umfassende Regulierung gibt. In den USA ist zur Zeit beides problematisch.

Freitag, 9. September 2011

Dankbarkeit

Nichts bringt Adoptionskritiker so schnell auf die Palme als der Bezug von Adoptionen zur Dankbarkeit. Aussagen von Adoptiveltern werden mit der Lupe darauf untersucht, ob ihre Einstellung zu ihren Kindern vielleicht die Erwartung der Dankbarkeit beinhaltet. Sollten es die Kinder materiell und familiär in der Adoptivfamilie besser haben als zuvor (was eigentlich der Sinn der ganzen Veranstaltung ist) und sollten die Eltern vielleicht als eine ihrer Motivationen darauf  hinweisen, dass sie den Kindern helfen möchten, dann leuchten die roten Lampen auf. Sie stehen im Verdacht, dass sie das Kind nicht aus Liebe bei sich aufnehmen sondern vielmehr sich durch ihre Tat moralisch überlegen fühlen und dafür belohnt werden wollen. Die Adoption sei hauptsächlich dazu da, dass sich die Adoptiveltern besser fühlen und ginge an den Bedürfnissen der Kinder vorbei.

Inwieweit Adoptionen den Bedürfnissen der Eltern oder den der Kinder folgen, ist eine berechtigte Frage und wird immer wieder mit dem Satz beantwortet, dass es darum gehe, Eltern für Kinder und nicht Kinder für Eltern zu suchen. Damit ist der Teil der Diskussion eigentlich beendet.

Der Vorwurf hier ist jedoch subtiler: Selbst wenn Eltern für ein Kind gesucht werden (und nicht umgekehrt) könnten die Eltern möglicherweise dabei ihre eigenen Bedürfnisse (Gutes zu tun) höher bewerten als die des Kindes (eine neue Familie). Dies wurde uns von einer Leserin unserer FAQs unterstellt, die jedoch nicht zitiert werden möchte.

Leider ist diese Art der Motivationsforschung weder möglich noch sinnvoll. Adoption entspringt in der Regel einem Kinderwunsch und nicht dem Bedürfnis auf eine gute Tat. Wenn zu dem Kinderwunsch vertärkend hinzu kommt, dass einem Kind geholfen wird, macht es wenig Sinn, den Eltern daraus einen Strick zu drehen. Sollte die Motivation sein, ein Kind anzunehmen, ihm aber möglichst nicht helfen zu wollen? Ist nicht auch der Wunsch einem Kind einen festen Platz in einer Familie geben zu wollen, ebenso selbstbezogen wie eine wie auch immer geartete gute Tat? Die Unterscheidung liegt wohl in dem Bereich der Haarspalterei und kann zur Seite gelegt werden.

Was sagt das Kind dazu? Wir wissen es nicht. Ein gesundes Kind wird sich für die Haarspalterei nicht interessieren, ein traumatisiertes Kind kann darin eine Kränkung sehen. Eine gute Tat aus einem Verlusterlebnis der Eltern abzuleiten, kann schmerzen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sein Trauma (und die Kränkung) auf die Eltern zurückzuführen ist, die etwas Gutes tun wollten.

Mit Ethik hat dies jedoch nur insofern zu tun, als dass die Motive der Adoptiveltern eine wichtige Rolle im Adoptionsprozess spielen und immer wieder Nährboden für allerlei unethische Praktiken bilden.

Sonntag, 4. September 2011

FAQs

  • "Ist es nicht besser, das viele Geld, das eine Adoption kostet, zu spenden?"
  • "Muss es unbedingt ein äthiopisches Kind sein? Tut es nicht auch ein deutsches?"
  • "Warum nehmt ihr kein afrikanisches Patenkind? Das kann doch dann wenigstens in seinem vertrauten Umfeld bleiben, und es gibt so viele Organisationen, die das anbieten!"
  • "Gibt es nicht hier - gleich vor der Tür - genügend Kinder, auch ausländische Kinder, die dringend Hilfe brauchen?"

Die Liste der Fragen, mit denen sich Adoptiveltern oft konfrontiert sehen, ließe sich gewiss noch fortschreiben. Einige davon versucht ein neuer Beitrag auf dieser Seite zumindest im Ansatz zu beantworten.

Donnerstag, 1. September 2011

Kulturelle Identität und Rassismus

Kinder und Erwachsene können in mehreren Kulturen leben, Kulturen miteinander kombinieren und vermischen. Eine kulturelle Identität entsteht durch die Identifikation mit Ritualen und Gebräuchen, die man über einen langen Zeitraum einstudiert und internalisiert. Keine Kultur kann kurzfristig erworben oder abgelegt werden. Kulturen sind immer Mischformen von größeren (deutsch) und kleineren (bayerisch), allgemeinen (Frauen) und spezifischen (Homosexuellen) Gruppen. Menschen können ihre kulturelle Identität im Laufe der Zeit verändern und sich neue Bezugsgruppen suchen: z.B. können Kinder türkischer Einwanderer sich zur deutschen Mehrheitskultur bekennen, wie auch Protestanten sich katholisch taufen lassen und ihren Bezugsrahmen wechseln.

Adoptierte Kinder haben ihre kulturelle Identität nicht gewählt (wie im Übrigen niemand seine kulturelle Identität als Kind wählen kann) aber sie haben offensichtlich den Sonderstatus, dass ihre Herkunft in einer anderen Kultur liegt, die zugleich fremd und ihre eigene ist. Sie können sie erkunden und erforschen und eventuell sich später teilweise aneignen. Ihnen geht die kulturelle Identität ihrer Eltern verloren. In der Diskussion über internationale Adoptionen wird dies häufig als Kritikpunkt angeführt. Der Vergleich mit Migranten liegt an der Stelle auf der Hand, die natürlich auch ihre Herkunftskultur hinter sich lassen und sich in ihre neue Heimat "integrieren" müssen, um dort auf Dauer heimisch zu werden. Deren Kinder wachsen ebenfalls in einem ganz anderen kulturellen Umfeld auf als sie selbst. Beiden Gruppen ist gemein, dass sie ihre Heimat in der Regel nicht ohne Not verlassen haben.

Etwas ganz anderes ist die gesellschaftliche Hierarchie einzelner kultureller Identitäten. Das Abweichen von der Mehrheitskultur wird in der Regel durch Diskriminierung bestraft, wie Schwule, Lesben, Moslems, und nicht europäisch Aussehende täglich erfahren. Daher ist die kulturelle (und ethnische) Identität Einzelner mit mehr oder weniger großen Risiken behaftet. Und hier wird es für adoptierte Kinder aus Entwicklungsländer schwierig. Kulturell gehören sie zur Mehrheitsgesellschaft, in ihrer Identität und in ihrem Aussehen haben sie jedoch eine gemischte kulturelle Identität. Sie werden öfter zum Opfer von Diskriminierung (z.B. als Afrikaner ohne afrikanische Identität), die in schwierigen Situationen enden können. Im schlechtesten Fall fühlen sie sich weder als Deutsche noch als Äthiopier und sehen sich am Rand der Gesellschaft.

Dies ist ein ernstes Thema, das durch Antidiskriminierungspraktiken und dem Training von einem interkulturellen Bewusstsein bearbeitet werden muss und zwar von Kindern, Eltern, Schulen und Angehörigen.


Dienstag, 30. August 2011

Multikulti - zur kulturellen Identität international adoptierter Kinder

Alle Kulturen haben ihre Geschichte, Gebräuche und Rituale. Kinder nehmen sie automatisch auf und werden ein Teil von ihr. Sie lernen Lieder, Tänze, Rezepte und eine gemeinsame Erinnerung ihrer Gesellschaft, die sie im Inneren zusammenhält. International adoptierte Kinder wachsen in der Kultur ihrer Adoptiveltern auf. Sie lernen die Sprache ihrer Eltern nicht und bewegen sich in ihren Heimatländern wie Touristen. Viele Adoptierte berichten, wie sie auf der Straße angesprochen werden und die Verwunderung der Anderen sehen, wenn sie die Sprache nicht verstehen.

Sind diese Kinder in ihrer kulturellen Identität defizitär?

Das hängt davon ab, wie stark sie in ihrer neuen Familiensituation verankert sind. Wenn Kinder in ihrer Persönlichkeit und Identität gefestigt sind, wenn sie ihre zwei oder drei Kulturen, die es in ihrer Familie gibt, als natürliche Bestandteile einer zunehmend interkulturellen Welt ansehen, fehlt ihnen nichts. Wenn sie sich jedoch in der Familie als Außenseiter und 'anders' wahrnehmen, dann fehlt ihnen umso mehr ihr Zugang zu ihrer eigenen Kultur. Die Lösung liegt daher in den Beziehungen zwischen Adoptiveltern und Kindern, die wiederum stark von der Traumatisierung des Kindes durch Verlassenwerden und Vernachlässigung abhängen. Stabile Kinder in stabilen Familien können sehr gut mit verschiedenen Kulturen umgehen und ihre gemischte Identität als positive Ergänzung empfinden. Verletzte Kinder empfinden dies als Herausforderung und Defizit.

Die Diskussion über kulturelle Identität ist daher eine Stellvertreterdiskussion. Es geht um gefestigte Persönlichkeiten in jedweder Kultur und der Weg dorthin führt über das psychisch gesunde Kind. Kulturcamps, in denen die Kultur des Heimatlands zelebriert werden, helfen dabei nur begrenzt. Die dort erlebte Kultur ist offensichtlich künstlich und nicht natürlich. Sie helfen jedoch in dem Sinn, dass das Kind spürt, dass die Eltern es in seiner eigenen Identität (in der seine Heimatkultur eine große Rolle spielt) ernstnehmen.

Samstag, 27. August 2011

Die Rückgabe illegal adoptierter Kinder

Ein Gericht in Guatemala hat vor einigen Wochen die Rückgabe eines in die USA adoptierten sechsjährigen Mädchens angeordnet. Karen Abigail  - mit richtigem Namen Anyelí Liseth Hernández Rodríguez -wurde im Alter von 2 Jahren vor dem Haus ihrer Eltern in Guatemala entführt. Ihre Eltern zeigten die Entführung sofort bei der Polizei an. Dennoch suchte die Mutter vier Jahre lang nach ihrer Tochter und musste in einen Hungerstreik treten, damit die Behörden ihr bei der Suche halfen. Sie fand das Foto ihrer Tochter in Akten von Kindern, die in die USA adoptiert wurden. Die Adoption basierte auf gefälschten Dokumenten und Zeugenaussagen sowie einer gefälschten DNA. Mittlerweile wurden acht Personen im Zusammenhang mit dem Kinderhandel in Guatemala vor Gericht gestellt. Den Adoptiveltern droht ein Zwangsgeld von $380 und die Einschaltung von Interpol, wenn sie das Kind nicht aushändigen.

Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Adoptiveltern von der Entführung und den gefälschten Papieren wussten. Bislang äußerten sich die Adoptiveltern vor der Presse über eine Mitteilung, in denen sie aussagten, dass sie "weiterhin für die Sicherheit und Interessen ihres legal adoptierten Kindes eintreten. Sie werden dafür sorgen, dass ihre Tochter vor einer weiteren Traumatisierung geschützt wird und werden die wahre Herkunft durch legale Kanäle feststellen lassen."

Das Gerichtsurteil ist wegweisend im Umgang mit kriminellen Praktiken in internationalen Adoptionen und ein Präzendenzfall. Es ist schwer abzusehen, ob das Urteil in den USA vollstreckt werden kann. Sollte es vollstreckt werden?

Für Adoptiveltern kommt dieser Fall und das Urteil einem Albtraum gleich. Dem Kind und seinen Eltern wurde großes Unrecht angetan. Ein kleines Kind wurde ohne Not von seinen Eltern getrennt und zur Adoption freigegeben. Die Motive der Täter waren eindeutig kriminell. Ein klarer Fall von Kinderhandel. Die Konsequenz der Rückgabe "ihres Kindes", um das sie sich vier Jahre lang als Eltern gekümmert haben, ist herzzerreißend und für alle Beteiligte tragisch. Dennoch gibt es aus ethischer Perspektive kaum einen Grund, sich diesem Anliegen zu verweigern.

In dem hier beschriebenen Fall fehlte der Adoption die rechtliche wie auch die ethische Grundlage. Das Kind hat leibliche Eltern, die für es sorgen können und wollen. Die Rechte der Eltern und des Kindes wurden durch die Entführung massiv verletzt. Das Kind wurde in einem frühen Alter durch die Entführung traumatisiert.

Die Adoptiveltern könnten (und werden wahrscheinlich) argumentieren, dass eine Rückgabe das Kind erneut traumatisiert und nicht seinem Wohl dient. Das ist zwar möglich; die Alternative ist allerdings nicht weniger traumatisierend: Sie würden dem Kind seine leiblichen Eltern vorenthalten, die es aus legitimen Gründen zurückfordern. Ihr eigene Elternrolle würde auf einer Straftat basieren, an der sie zwar keinen Anteil hatten, ohne die sie jedoch das Kind nicht hätten adoptieren können.

Man kann auch nicht als Grund anführen, dass das Kind in einen neuen Kulturkreis versetzt würde, dessen Sprache und Gebräuche es nicht kennt. Das ist in Auslandsadoptionen gang und gäbe.

Wir wissen noch nicht, welchen Weg die Adoptiveltern einschlagen werden. Sie können in Guatemala in Berufung gehen und es ist wahrscheinlich, dass sie sich gegen das Urteil wehren. Man kann nur hoffen, dass sie und die leiblichen Eltern eine gemeinsame Lösung im Interesse von Anyeli suchen und finden.

Samstag, 20. August 2011

Ein Medienpreis?

Die Kindernothilfe vergibt jährlich einen Medienpreis, um herausragende Publikationen und Filme auszuzeichnen, die in besonders eindringlicher Weise die Not von Kindern thematisieren. Wie die Kindernothilfe mitteilte, stehen die Nominierungen für den diesjährigen Medienpreis nun fest. Dazu gehört auch der taz-Artikel "Der verlorene Sohn" von Greta Taubert und Benjamin Reuter, der letztes Jahr im Mai erschien. Der Artikel behandelte die Geschichte eines äthiopischen Jungen, der von seinen Eltern abgegeben und nach Deutschland adoptiert wurde. Sein Vater hatte die Mutter für tot erklärt, um die Adoption zu ermöglichen. Ein typischer Fall für ethische Probleme in der Adoptionsvermittlung - ermöglicht durch die verzweifelten Lage einer Familie und ausgebeutet für politische Zwecke.

Während die Vortäuschung des Tods der Mutter und die dadurch erfolgte Abgabe des Kindes ein schwerwiegender Eingriff in seine Rechte ist, und in jedem Fall ein lohnenswertes Thema für investigativen Journalismus darstellt, muss die Nominierung des Artikels jedoch für alle überraschend sein, die ihn gelesen haben. Der Artikel gehört leider in die Kategorie Kampagnenjournalismus. Er klärt nicht auf und recherchiert auch wenig über die Hintergründe internationaler Adoptionen sondern reproduziert die Argumente einer bestimmten Lobbygruppe, die gegen Auslandsadoptionen vorgeht und die den Autoren entsprechende Informationen zur Verfügung gestellt hat. Diese wurden mit alt bekannten Stereotypen und einem Einzelschicksal versehen und in einer reißerischen Sprache in eine Story verwandelt.

Da geht es um eine Frau, die sich ein „schönes Baby“ wünscht; Eltern, die „investieren“, dem Leiter einer Adoptionsagentur mit einer Hautfarbe „die von häufigen Afrikaaufenthalten zeugt“ und Adoptiveltern, die sich in Internetforen verschanzen und die Öffentlichkeit scheuen. (Letzteres ist nur zu verständlich, wenn man sich die hier gewählte Form der Öffentlichkeit betrachtet. In der Darstellung wurden die Persönlichkeitsrechte der Adoptivfamilie verletzt, indem der Artikel von einem Bild begleitet wird, auf dem die Familie leicht erkennbar ist, und der im Artikel verwandte Name des Kindes auch Aufschluss auf die Familie gibt.)

Warum die Berichterstattung über ethische Fragen in Auslandsadoptionen grundsätzlich nur zwischen den Extremen 'abzulehnender Kinderhandel' oder 'lobenswerte Kinderrettung' pendelt, bleibt weiterhin eine offene Frage. Es wäre jedenfalls schade, wenn die Jury des Medienpreises diese Schwarzweissmalerei unterstützen würde.

 

Mittwoch, 17. August 2011

Update Schließung von Kinderheimen

Das amerikanische Außenministerium informierte bereits am 3. August auf seiner Webseite über die Schließung der folgenden Kinderheime durch die äthiopische Regierung. Es wurden keine weiteren Gründe angegeben:
  • SOS Infants Ethiopia (Arbaminch, Dilla, and Awassa branches)
  • Gelgella Integrated Orphans (Tercha and Durame branches)
  • Bethzatha Children’s Home Association (Sodo, Hosaena, Dilla, and Awassa branches)
  • Ethio Vision Development and Charities (Dilla branch)
  • Special Mission for Community Based Development (Hosaena branch)
  • Enat Alem Orphanage (Awassa branch)
  • Initiative Ethiopia Child and Family Support (Awassa branch)
  • Resurrection Orphanage (Hosaena branch)

Samstag, 13. August 2011

Die Wahrheit äthiopischer Adoptionen

Ein neuer blog amerikanischer Adoptivmütter von äthiopischen Kindern gibt Adoptiveltern eine Plattform, um ihre persönliche Erfahrungen mit Adoptionen aus Äthiopien zu berichten. Er gibt einen guten Einblick in die unethischen Praktiken von (amerikanischen) Vermittlungsstellen und Kinderheimen. Die Berichte sind leider nicht untypisch.

Freitag, 22. Juli 2011

Berichte über Schließungen äthiopischer Kinderheime

Das amerikanische Außenministerium informiert aktuell  über die Schließung von Kinderheimen in Südäthiopien.

Wie zudem aus amerikanischen Adoptionsforen bekannt wurde, wurde bereits im Mai dem Waisenhaus Mussie in Hossana die Lizenz entzogen. Zwei Mitarbeiter, darunter auch der Direktor, wurden inhaftiert. Nach Angaben amerikanischer Vermittlungsstellen stand die Schließung des Heims im Zusammenhang mit nicht erfolgten Sozialprojekten, zu denen sich Heime in Äthiopien verpflichten müssen, um ihre Lizenz zu erneuern.

Bis 2009 firmierte Mussie unter dem Namen Bethzada (auch Bethzatha, Bethsaid, Bethezata, Betezatha, Bete zieda oder Bethsaida geschrieben). Bethzatha war angeblich an der Fälschung von Dokumenten für die Vermittlungsstelle Better Future Adoption Services beteiligt, der im Dezember 2010 die Lizenz entzogen wurde.

Schließlich gibt es einen neuen Blog, der sich seit einigen Wochen exklusiv mit der Schließung äthiopischer Kinderheime beschäftigt. 

KIDMIA

Es gibt nun in Addis Abeba eine Organisation, die sich für lokale Adoptionen einsetzt. KIDMIA hat zum Ziel vor Ort Lösungen für die verlassenen Kinder in Äthiopien zu finden. Eine Barriere für einheimische Adoptionen sind die Finanzmittel, die über Auslandsadoptionen ins Land kommen:

"There are many international adoption agencies working in Ethiopia but none are actively working in promoting or facilitating domestic adoption. Local orphanages that work with these organizations are reluctant to make children available for domestic families because of the large amount of money that is involved when children are adopted internationally. One particular director let us know in no uncertain terms that it ‘was a survival issue’ as they depended on the money from international adoptions to maintain their institutions."